Dienstag, 4. Oktober 2011

Der philippinische Fussball vor erfolgreicher Kehrtwende?

Der Fussball auf den Philippinen war in den in den letzten neunzig Jahren fast nicht existent. Er war nur eine fast bedeutungslose Randsportart, die insbesondere an den Universitäten ab und an gespielt wurde.

Historisch gute Startposition

Die Erfolgsperspektiven für den Fussball auf den Philippinen waren historisch zunächst recht günstig. Das Ballspiel Sipa wurde schon seit Jahrhunderten im Land ausgeübt. Es ist eine Art Volleyballspiel und dem Fußball in dem Punkt ähnlich, als der Rattanball nicht mit der Hand gespielt werden darf. Um die Jahrhundertwende war das Land sogar in Asien Pionier in Sachen Fussball. Es waren die Philippinen, die 1913 die erste inoffizielle asiatische Meisterschaft ausrichteten und dabei China mit 2.1 bezwangen. Es folgte der nächste Paukenschlag, als Japan 1917 mit 2:15 Toren besiegt wurde. Der Sieger- mannschaft gehörte auch Paulino Alcantara an, auf den noch heute gerne verwiesen wird. Alcantara wurde 1896 in Iloilo geboren, spielte kurzfristig in der philippinischen Nationalmannschaft und machte dann seine Karriere als Spieler und Direktor beim FC Barcelona.

Fall in die Bedeutungslosigkeit

Mit den Amerikanern als neue Kolonialmacht verlor der Fussball dann seine Vorrangstellung an den Basketball und verkümmerte lange Zeit in Lethargie. Es gab in den nächsten Jahrzehnten keine größeren nennenswerten Erfolge, weder im AFC Asian Cup oder gar im FIFA World Cup. Der Tiefpunkt war 2006 erreicht, als die philippinische Nationalmannschaft auf Rangplatz 195 der FIFA-Liste rutschte. Für das mitunter etwas gallige Fussballmagazin Spox.com waren Die Philippinen zum damaligen Zeitpunkt „nicht grundlos die schlechteste Fußballnation der Welt“, obwohl es damals auch Mannschaften gab, die noch tiefer plaziert waren(1). Es erübrigt sich deshalb weitgehend, über die drittklassigen Spiele der Nationalmannschaft vor 2011 zu berichten. Die „Azkals“ - das ist der Spitzname der Nationalmannschaft, der übersetzt „Strassenhunde“ bedeutet – waren mehr oder weniger nur kleine Fifis, die fast aussichtslos hinter dem Ball hinterher hechelten.

Die Dominanz des Basketballs als ein wichtiger Grund für das Zurückbleiben

Fragen wir nach möglichen Gründen des Nioedergangs und beleuchten wir in diesem Zusammenhang zunächst die Rolle, die der Basketball auf den Philippinen spielt. Basketball ist auch heute noch Spitzensport Nummer 1, unbeschadet der Tatsache, dass Filipinos eher kleinwüchsig sind und der über drei Meter hohe Einwurfkorb für sie vermutlich mehr Kraftanstrengung bedeutet. Kein Dorf, kein besser gestelltes Haus, das nicht ein kleines Spielfeld mit Einwurfkörben hätte. Bleiben wir noch kurz bei der Konkurrenzsituation und fügen wir an, dass das Basketballspiel sicherlich aktionsreicher ist und die Ergebnisse sich schneller einstellen. Demgegenüber kann das torarme Fussballspiel über längere Strecken zum Beispiel bei Fehl- und Rückpässen langweilig wirken. Privaten Fernsehstationen, die auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, dürfte das Basketballspiel zudem mehr entgegenkommen. Die häufigeren Pausen beim Basketballspiel laden zu Werbeeinblendungen förmlich ein. Sicher ist die traditionelle Vormacht des Basketballspiels auf den Philippinen auch auf die Medienpräsenz dieser Ballsportart zurückzuführen. Will der Fussball auf den Philippinen ein breiteres Publikum gewinnen, muss er erst die Medienvormacht des Basketballs brechen.

Unzureichende Basisarbeit und infrastrukturelle Defizite

Um den Fussball auf ein international vergleichbares Niveau zu heben, muss noch außerordentlich viel Basisarbeit geleistet werden. Für die ärmere Bevölkerung sind Fussballschuhe und Trikots in der Regel zu teuer. Es wird oft barfuss gespielt. Eine Infrastruktur – und sei es nur ein Bolzplatz mit markierten Toren – ist in der Regel in den Dörfern nicht vorhanden.

In Ermangelung von adäquaten Fussballplätzen nutzt man oft Baketballplätze und spielt dann aber nur mit jeweils fünf Mann („Five-A-Side-Football). Die größeren Stadien, von denen es einige auf den Philippinen in wenig gepflegten Zustand gibt, sind zumeist auf Leichtathletiksportarten zugeschnitten. Auch hier sind Investitionen zu tätigen wie zum Beispiel die Errichtung von Flutlichtanlagen.

Notwendige Traingsmaßnahmen

Weiter ist davon auszugehen, dass den meisten jungen Filipinos das Regelwerk des Fussballs unbekannt ist. Spieler müssen trainiert werden, auch das Dribbeln oder die Ballannahme will gelernt sein. Hier ist unter anderen an den früheren deutschen Sportreporter Obermann zu erinnern, der mit Unterstützung der deutschen Regierung in den neunziger Jahren Trainingskurse auf den Philippinen leitete. De FIFA war bei der Ausbildung von Schiedsrichtern be-hilflich und gewährt dem unterfinanzierten Spitzenverband PFF (Philippine Football Federation) noch heute jährlich 250.000 US$ an Unterstützung.

Das Fehlen einer nationalen Liga

Zum schwachen Leistungsbild mit beigetragen hat in jüngerer Vergangenheit sicherlich auch das Fehlen eines breiteren Pools an qualifizierten Spielern. Es gab nur wenig Leistungskonkurrenz durch Mannschaftswettbewerbe, die knappen Spielerentgelte vermochten nicht Spitzenenergien zu mobilisieren. Längere Zeit gab es nur im Raum Manila eine halbprofessionelle Liga mit acht Teams, die insbesondere an Colleges und Universitäten angesiedelt waren. In manchen Jahren wurde auf die Austragung von Meisterschaften gänzlich verzichtet. 2008 gab es kurzfristig eine nationale Liga, aber schon kurz nach ihrer Eröffnung wurde sie wieder geschlossen. Über die Gründe können wir hier nur spekulieren. Möglicherweise spielten auch die Anreisekosten eine Rolle. Jedenfalls war die philippinische Verbandsführung froh, als sie 2011 für ihre Trainings in Deutschland einen Sponsor fand, der den Flug des Teams und der Begleitmannschaft finanzierte. Eine funktionierende Nationalliga gibt es bis heute noch nicht. Derzeit werden aber wieder neue Anläufe zur Gründung einer solchen unternommen, da die wenigen Wettbewerrbe auf nationaler Ebene mit Recht als nicht ausreichend empfunden werden.

Verbandsführung

Auch die FIFA war nicht glücklich über die Erfolgsbilanz des philippinischen Fussballverbandes unter der Führung von Jose Mari Martinez. Sie hielt aber an dem Verbandspräsidenten fest, als schon Gerüchte umliefen, dass der Vereinspräsident Dokumente fälsche und sich selbst bereichere. Martinez wurde im Januar 2011 durch Mariano Araneta ersetzt. Ihn zu beurteilen, ist sicherlich etwas verfrüht. Er und der Verbandsmanager Stephen Palami vermitteln jedoch einen wesentlich tatkräftigeren Eindruck.

Verdiente Unterstützer

Es gab jedoch nicht nur einen suspektem Verbandspräsideten. Es gab und gibt auch positive Figuren, die sich in der Zeit vor 2011 um den philippinischen Fussball verdient machten. Zu erwähnen ist hier unter anderen der schon länger auf den Philippinen ansässige Engländer MacKinnon, der schon in den neunziger Jahren als ehrenamtlicher Trainer und Entwicklungshelfer auch in entlegeneren Regionen betätigte und den Fussball bekasnnt machte. - Auch der Bayer Alfons Schunk, ein ehemaliger Süßwarenrepräsentant, engagiert sich seit den achtziger Jahren für den philippinischen Fussball. Seine Hauptaufgabe ist nunmehr das Scouting. Er sondiert über ein aufgebautes Netzwerk von Informanten, welche westeuropäische Jugendliche mit philippinischer Abstammungswurzeln als qualifizierte Spieler für die philippinische Nationalmannschaft in Betracht kommen. So erfuhr er über sein Netzwerk, dass Stephan Schröck von der SpVgg Greuther Fürth ein potenzieller Kandidat für die Nationalmannschaft sein könnte.

Kaderauffüllung durch westeuropäische Spieler mit philippinischen Wurzeln

Heute gehören einige westeuropäische Spieler zumindest zeitweise zur Kernmannschaft. Es sind dies unter anderem der bereits erwähnte Stephan Schröck, Manuel Ott vom FC Ingolstadt, Neil Etheridge, Reservetorwart beim FC Fulham und die Brüder James und Phil Younghusband, die früher beim FC Chelsea ausgebildet wurden und die heute als „Stars“ auf den Philippinen unter anderem Werbung für Unterwäsche machen.

Der neue deutsche Trainer Michael Weiß

Die fussballerischen Erfolge von Indonesien und Singapur zeigten den philippinischen Verbandverantwortlichen, dass sich bei guter Planung auch Erfolge einstellen. Vor allem musste ein qualifizierter Trainer gefunden werden. Man schaltete ein Suchinserat und es meldeten sich fast tausend Interessenten. Die Auswahl fiel letzlich auf 46-jährigen Michael Weiß.

Nach dem Erwerb der Fussballlehrerlizenz und Hospitationen bei Manchester United, dem FC Arsenal und Real Madrid war dieser vor allem im Ausland tätig geworden. Mit seinen nachfolgenden Auslandstätigkeiten tritt er nun in die Fusstapfen eines Werner Lorant oder eines Rudi Gutendorf. Er war von 2001-2004 Co-Trainer bei einer japanischen Mannschaft. Hier lernte er auch seine japanische Frau kennen. Die nächsten beiden Jahre fungierte er als Co-Trainer der chinesischen Juniorennationalmannschaft. Von 2007 bis 2010 war er dann technischer Direktor des Fussballverbandes in Ruanda.

Weiß beschloss, das philippinische Angebot anzunehmen. „Bevor ich irgendwo in der 4. Liga mein Geld verdiene, gehe ich lieber auf die Philippinen“, erklärte er und war sich der Schwere der übernommenen Aufgabe sicherlich bewußt (2). In Interviews spricht er von dem enormen fussballerischen Potenzial, das die Filipinos hätten und er betont immer wieder, dass außerordentlich viel Basisarbeit noch zu leisten sei und man geduldig und realistisch sein müsse. Seit Januar 2011 betreut er nun das philippinische Nationalteam. Die Zielmarke seiner Arbeit ist, unter die ersten Hundert der FIFA Welt-Rangliste zu kommen. Im Juni 2011 nahm die Philippinen noch Rangplatz 162 ein.

Hype um das erste Spiel gegen die Mongolei

Schon am 09. 02. 2011 ist im Rahmen des AFC Challenge das Spiel Philippinen gegen die Mongolei angesetzt. Das Panaad Stadium in Bacolod City, das eigentlich nur 15.000 Zuschauer zulässt, ist mit 25.000 Zuschauern voll bepackt. Hunderte, wenn nicht Tausende Interressierte müssen, vor den Einlasstoren bleiben. Die Polizei fürchtet schon eine Eskalation. 200 Medienvetreter wollen dem Spiel folgen. Dem TV-Giganten ABS-CBN gelingt es, andere TV-Konkurrenten auszustechen. Er überträgt das Spiel und wird es am nächsten Tag in Schleifen immer wieder wiederholen. Sogar die britische BBC sendet einen TV- und Radiokorrespondenten. Den Berichterstattern fallen immer wieder die jubelnden, wenn nicht kreischenden jungen weiblichen Zuschauer auf. Das Spiel endet 2:0 für die Philippinen. Feuerwerke werden im Stadion gezündet. Das Land hat – nach dem Urteil vieler - ein sporthistorisches Ereignis erlebt. Der Spox-Korrespodent hyperventiliert verbal mit und fasst seine Eindrücke in folgende Worte:

„Philippinen – Eine Nation dreht durch … Massenhysterie, Medienwahnsinn und mittendrin der deutsche Michael Weiß … Die Zeitenwende scheint eingeleitet und neue nationale Helden stehen bereit.“

Das Rückspiel findet in der sehr kalten Mongolei statt. Fast 50 Grad Temperaturunterschied waren zu bewältigen. Das Spiel geht 2:1 für die Mongolei aus. Der philippinische Präsdent Arroyo zeigt sich dennoch gerührt und verleiht der Mannschaft den Presidental Achievement Award in einem renommierten Hotel von Manila.

Nachfolgende Spiele

Auch die unmittelbar nachfolgenden Spiele in der Qualifikationsrunde zur Asienmeisterschaft dämpfen die Fussballbegeisterung – trotz teilweise beschei- denem Ausgang – kaum. Die Spiele gegen Myamar und Palästina gehen unentschieden aus und Bangladesh wird mit 3: 0 besiegt.

Emotionen verbinden sich auch mit den in der Jahresmitte angesetzten Spielen zur WM-Qualifikation. Das Spiel gegen Sri Lanka in Colombo geht 1:1 unentschieden aus. Beim Rückspiel in Manila triumphieren die Filipinos jedoch mt 4:0. Ein gewichtiger Gegner wartete noch auf das philippinische Team. Es war das als spielstark eingestufte Kuwait. In Kuwait verlor man 3:0. Im Rückspiel schoß zwar Stephan Schröck das erste Tor. Das Endresultat lautete aber 1:2 für Kuwait. Damit waren die Filipinos aus der WM-Qualifikation ausgeschieden.

Wir sollten noch erwähnen, das Trainingsspiele in der Bundesrepublik den Spielen zur WM-Qualifikation vorausgingen. Der DFB protegiert ja ein wenig das philippinische Team. Zwar konnte man Siege gegen eine Dürener Auswahl und gegen die Bonner U-19 mit jeweils 4:1 verbuchen, aber die Spiele gegen Ingolstadt 04 und Darmstadt 98 zeigten mit 0:4 und 0:5 klare deutsche Siege.

Was hat sich noch verbessert?

Es liegen also einige Spielausgänge vor, die zu weiterem Optmismus Anlass geben, auch wenn insbesondere der Trainer Weiß immer wieder vor zu hohen Erwartungen warnt. Das philippinische Team genießt mittlerweile eine hohe Medienbeachtung und Publikumsverehrung. Trainer Weiß muss vor wichtigen Spielen sein Team immer wieder unter Quarantäne stellen.

Neue Fussballclubs werden gegründet. Eine Website listet bereits über 326 philippinische Fussballclubs auf (3). Einige Clubs sind mit dem Militär verbunden (Air Force Rider, Army Fritz), andere werden offenbar von Firmen untertützt (Globe Smartmatic, Macziol IBM, Loyola Meralco Sparks).

Wer Äußerungen des Präsidenten von Uli Hoeneß vom FC-Bayern kennt, weiß um die Bedeutung des Geldes im professionellen Fussballbereich. Hier hat sich die Situation beim philippinischen Verband auch leicht gebessert. Der Verband hat neue Sponsoren gefunden. Dazu gehört – neben dem Energieunternehmen Meralco, dem Wasserversorgungsunternehmen Maynilad, dem Medien- unternehmen Cignal TV-TV5 und der Hyudai Corporation – auch die Smart Communications. Letztere hat dem Verband für den Zeitraum von zehn Jahren fast zwei Millionen US$ zur Verfügung gestellt. Das Geld soll insbesondere für den Aufbau einer nationalen Liga verwendet werden. Auch Mike Velarde von der religiösen Gemeinschaft El Shaddai (4) zeigte sich generös und stellte in Paranque ein 4,5 ha großes Areal für den Bau eines neuen Fussballstadions zur Verfügung.

Frauenfussball

Es gibt auch ein weibliches Fussballnationalteam auf den Philippinen. Sie haben sich die Bezeichnung „Malditas“ zugelegt. „Maldita“ bedeutet ins Deutsche übertragen „frech“, auch „unanständig“. Das Team hat gleichfalls zwei aus der BRD „importierte“ Spielerinnen mit philippinischen Abstammungswurzeln. Es sind dies Cristina Kreuter und Lorrene Bayani. Das Frauenteam will jetzt in die Erfolgsspur der „Strassenhunde“, der „Azkals“ treten. Beweisen können sie es beim AFF Women`s Championship Turnier in Laos im Oktober 2011.
Hoffen wir, dass die aufgeflammte Begeisterung für den Fussball auch längerfristig anhält. Richtig zufrieden darf man aber erst sein, wenn man mehr philippinische Kinder und Jugendliche auf den Strassen Fussball spielen sieht.

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(1)spox.com, Aus dem Abgrund des Weltfußballs, 19.10.201, in: http://www.spox.com/de/sport/fussball/international/1010/Artikel/philippinen-manuel-ott-alfons-schunk-stephan-schroeck-paulino-alcantara-david-alaba-dan-palami.html
(2)Alexander Haubrichs, Auf den Spuren von Rudi Gutendorf, in: http://www.express.de/sport/fussball/auf-den-spuren-von-rudi-gutendorf/-/3186/8576354/-/index.html
(3) http://club-soccer.com/Continents/asia/phillipines.htm
(4) Näheres zu El shaddai unter: Wolfgang Bethge, Das versprochene Glück – Mike Velarde und seine chaismatische El Shaddai Bewfung, in: http://bethge.freepage.de/el _shaddai.htm

Donnerstag, 11. August 2011

Friedhöfe auf den Philippinen



Nähern wir uns dem Thema, indem wir von einem erlebten Todesfall in einem Dorf in der Provinz Bicol anlehnen.

Im Barangay hat sich der Tod vom alten Augusto schnell herumgesprochen. Abergläubische meinen, sie hätten schon zuvor Omen und Zeichen ausgemacht, die auf einen Tod angekündigt hätten. Flatterte da nicht ein schwarzer Schmetterling ums Haus und hatte da nicht ein Hahn nachmittags gekräht?

Der Priester wird gerufen, der Dahingeschiedene soll noch einmal gesegnet werden. Man will sicher gehen, dass er in den Himmel kommt. Der Tote wird gewaschen und präpariert, ein Nachbar spendet dem Verblichenen für die letzte Reise noch einen besseren Anzug. Man hätte den Körper auch durch den Austausch des Blutes mit Formaldehyd etwas konservieren können, das hätte den Termin der Beerdigung hinausgezögert und den entfernten Verwandten Gelegenheit gegeben, am Begräbnis teilzunehmen. Aber hierfür reicht das Geld nicht. Das Geld reicht auch nicht für einen der relativ aufwändigen Särge mit üppigen Beschlägen und Glasfenster, die in der Stadt für viel Geld angeboten wurden. Nun wird ein einfacher Holzsarg mit lauten Hammerschlägen zu nächtlicher Stunde gezimmert. Lautes Lachen, Stimmengewirr wechselt mit Gebeten und Gesängen. Alkohol feuert die musikalische Unterhaltung an. Warum soll der Übergang in die andere Welt nicht mit gemeinsamen Freuden verbunden sein?

Der Tote liegt dann noch einige Zeit offen im Sarg aufgebahrt. In seinen Händen hält er ein Kreuz. Verstorbene Frauen halten einen aufgeschnittenen Rosekranz in den Händen. Die trauernden Besucher haben wenig Scheu, den Dahingeschiedenen ein letztes Mal zu berühren. Nach einem Aberglauben sollte möglichst keine Träne auf den Toten oder den Sarg fallen. Dies würde den Übergang des Toten in die andere Welt erschweren. Der Ritus verlangt die fortgesetzte Totenwache am Sarg.

Der Tag der Beerdigung kommt. Beim Transport des Toten aus dem Haus achtet man darauf, dass er mit dem Kopf nach vorn aus dem Haus getragen wird. Andernfalls könnte der Tote jahrelang immer wieder erscheinen. Sein Geist wird sowieso am dritten, fünften und siebten Tag nach dem Ableben nochmals das Haus besuchen.

Handelt es sich um ein kleines Dorf mit nahe gelegenem Friedhof, dann kann der Sarg in einer Prozession durchs Dorf zum Friedhof geführt werden. Auf dem Weg dorthin murmelt und singt man kurze Totengebete. Vielleicht nimmt man dann auch einen kleineren Umweg in Kauf, um möglichst vielen Leuten Gelegenheit zu geben, dem Toten einen letzten Respekt zu erweisen.



Es gibt nur einen kleinen Kirchenfriedhof im Dorf, der längst überfüllt ist, aber wegen angrenzender Häuser kaum erweiterbar ist. Insbesondere bei Einbruch der Dämmerung ist Der Friedhof ein ziemlich trister, ja unheimlicher Ort, an dem man auch aufgebrochenen Sargboxen und am Boden liegenden Schädeln begegnen kann. Vermutlich hat der Totengräber, in der von Unkraut überwucherten Containerkaskade Schwierigkeiten, noch einen weiteren letzten Ruheplatz zu finden. Zum Angedenken an den Toten wird er zum Abschluss seiner Arbeit mit schwarzer Farbe den Epitaph „R.I.P.“ („Requiescat in Pace“), den Namen des Verstorbenen und vielleicht noch sein Geburts- und Todesjahr schreiben.

Verlassen wir die Erzählebene und wenden wir uns der mehr sachlichen Berichtsebene zu.
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Etwas generalisierend wird man wohl sagen können, dass öffentliche Friedhöfe auf den Philippinen im Vergleich zu den meisten privaten Friedhöfen mehr oder weniger vernachlässigt sind. Die Philippine Information Agency (PIA) behauptet sogar:

“Due to its seasonal necessity, public cemeteries in the Philippines are the most neglected social services of our country.”

Wobei zu fragen wäre, was der Bericht unter “seasonal necessity“ (1) versteht. Sollte darunter Allerheiligen – also der Tag, an dem die meisten Filipinas die Gräber ihrer Verwandten aufsuchen – dann ist dies wohl kein hinreichender Erklärungsgrund für die streckenweise Verwahrlosung an den übrigen Tagen des Jahres. Es wurde schon betont, dass private Friedhöfe („Memorial Parks“) in der Regel besser gepflegt sind. Sie sind teurer und kommen in der Regel nur für vermögendere Schichten in Betracht. In größeren Städten verfügen sie oft über einen eigenen Ordnungs- und Pflegedienst.

Der größte und wohl auch älteste öffentliche Friedhof Manilas, der Nor
th Cemetery im Stadtteil St. Cruz , kennt aber auch seine „schöne Ecken“ mit Mausoleen, Madonnenstatuen, Büsten, knieenden Engeln und künstlerisch gestalteten Grabschriften. Hier kann man einen Eindruck gewinnen, was einen dereinsten im Himmelreich von Sankt Petrus erwarten wird. Zahlreiche Prominente der philippinischen Geschichte sind hier beerdigt, zum Beispiel der Revolutionsführer Marcelo del Pilar oder die früheren Präsidenten Ramon Magsaysay, Manuel Roxas oder Sergio Osmena. Der 54 Hektar große Friedhof ist sehr weitläufig, man kann sich in ihm verlaufen. Der North Cemetery ist aber auch dadurch bekannt geworden, dass manche Gräber eine Heimstatt für obdachlosen Familien („Dwellers“), bieten. Zahlreiche Fernsehberichte griffen dieses Thema auf. Im übervölkerten Manila konkurrieren die Lebenden mit den Plätzen der Toten. Man beklagte schon Raubüberfälle und Vandalismus auf diesem Friedhof. Manchen bietet er aber insbesondere um Allerheiligen einen Nebenerwerb. Einige Friedhofsbewohner bekommen ein Entgelt dafür, dass sie auf bestimmte Gräber Obacht gegeben haben. Andere bieten die Grabsteinreinigung oder eine Schrifterneuerung am Grab an. Es sollen auch schon abgelegte Blumen in den Wiederverkauf gelangt sein.

Sicherlich sehenswert ist auch der 1850 gegründete Chinese Cemetery. Er findet sich in fast jedem Reiseführer erwähnt. Hier findet man in der Millionaire´s Row und den Little Berverly Hills die Mausoleen der reichen chinesischen und prominenten Patriarchen und Matriarchen. Die tempelähnlichen Gebäude können zwei Stockwerke mit Air-Condition, Swimmingpool und Toiletten aufweisen. Manchmal wohnen Personen in den Mausoleen, die für den Erhalt und die Pflege zuständig sind (2).

Wer Wege scheut, der kann im Rahmen eines klassisches „Sight-Seeing“ die Kolumbarien der San Augustin Church in Intramuros besichtigen. Er findet dort in einer Seitenhalle Wandnischen, in denen die Gebeine des frühen spanischen Generalgouverneurs Juan Miguel de Legaspi sowie anderer spanischstämmiger Familien wie die der Zobels, Ayalas und Sorianos liegen.

Ein ganz anderes Bild bietet sicherlich der American Cementery. Hier befinden sich rund 17.000 Gräber von im zweiten Weltkrieg gefallenen amerikanischen Soldaten . Die schnurgerade angeordneten Reihen weißer Grabkreuze heben sich sicherlich stark von normalen philippinischen Friedhöfen ab.

Wir wollen noch einen mittlerweile aufgehobenen Friedhof erwähnen, auf dem seit 1912 keine Beerdigungen mehr stattfinden. Es handelt sich um den Paco Parc, der – wie der Name schon andeutet – heutzutage zu eher romantischen Spaziergängen im Park einlädt. Hier tollen Kinder. Man kann Tauben füttern und Verliebte treffen sich hier. Nichts erinnert daran, dass hier 1820 viele Opfern einer Cholera-Epedemie beerdigt wurden. Der frühere Friedhof hat auch eine historische Bedeutung. Hier wurden die von den Spaniern 1872 hingerichteten „Märtyrer“- Fratres Gomez, Burgos und Zamora bestattet. Auf diesem Grab vermutet man auch das erste Grab des Nationalhelden Jose Rizal.

Einschub: Nach der Hinrichtung Jose Rizals (1896) verheimlichten die spanischen Autoritäten zunächst den Ort, an dem sie den Leichnam von Rizal beerdigten. Selbst inständiges Bitten der Familie von Rizal brachte keine Klarheit. Die Spanier wollten keinen Wallfahrtsort schaffen. Rizals Schwester Narcissa suchte alle Friedhöfe vergeblich ab, bis sie zum Paco Cemetery kam. Hier wiesen sie zivile Wachleute darauf hin, dass sie ein frisch aufgehäuftes Grab für das von Jose Rizal hielten. Narcissa schenkte ihnen Glauben. Gegen ein Bestechungsgeld waren die Wachen bereit, eine Plakette am Grab anzubringen. Die Plakette trug die Inschrift „R.J.P.“ – vermutlich wollte man durch die Umkehrung der richtigen Namenskürzel „P.J.R“ die Spanier in die Irre führen. Später wurden die Gebeine in den heutigen Rizal-Park verbracht. Einige philippinische Vertreter fordern, man solle nun durch einen DNA-Test endgültig klären, ob im Rizal-Park tatsächlich die Gebeine von Jose Rizal liegen (3).

In sieben von zehn Fällen wählt man auf den Philippinen noch die klassische Sargbestattung. Einäscherungen mit Urnenbeisetzung nehmen aber in den Großstädten zu und machen bereits schon dreißig Prozent aus (4). Lange Zeit forderte die katholische Kirche zwingend die Erdbestattung, mittlerweile toleriert sie aber auch inbesondere wegen der Überfüllung der Friedhöfe die Einäscherung und Urnenbestattung. Für die Mehrzahl der Filipinos, die an ein Leben nach dem Tod glauben, gilt dem Sinn nach die Aussage, „because the body is buried, there ist still physical presence. He is still there und his spirit is hovering above us. (4) ” Platzgründe sind es auch, die den Oberbürgermeister von Manila veranlassten, armen Bewohnern auf dem North Cementery die Kosten der Einäscherung zu erlassen (5). In längerfristiger Sicht ist auch eine kostenpflichtige Einäscherung in der Regel billiger, weil die Platzkosten niedriger und der Pflegeaufwand geringer ist.

Ungeklärt bleibt hier die Frage, ob man auf den Philippinen die Asche des Verstorbenen mit nach Hause nehmen darf. Im Internet finden sich Hinweise, dass dies unter Einschränkungen möglich sei (5). Andererseits erklärt ein Beerdigungsdirektor in einem Interview, dass die Regierung den Transport der Asche nach Hause nicht erlaubt hätte (4).
Weil Friedhofsbeiträge weniger Anlass zur Freude bieten, zum Abschluss noch eine eher heitere Geschichte, von der wir allerdings nicht wissen, ob sie sich so zugetragen hat.


Eine Familie auf den Philippinen war sehr erstaunt, als eines Tages der Sarg der toten Mutter eintraf. Die Schwester hatte ihn aus den USA gesandt. Der Körper der Mutter war in dem Sarg so gepresst, dass das Gesicht schon an das Glasfenster drückte. Als der Sarg geöffnet wurde, fanden sie einen Zettel auf der Brust der Mutter. Sie lasen:

„Liebe Brüder und Schwestern, ich sende euch die sterblichen Überreste der Mutter. Beerdigt sie auf den Philippinen. Wegen der hohen Kosten kann ich leider nicht kommen. Unter dem Leib der Mutter findet ihr 12 Dosen Libby´s Büchsenmilch und zwölf Dosen Frühstücksfleisch. Teilt sie euch bitte.

Mama trägt sechs Ralph Lauren T-Shirts. Eines ist für Manong Roy und der übrigen für meine Neffen. Mama trägt auch zwölf Wonder Bras (Büstenhalter), teilt sie euch. Weiterhin trägt sie acht Docker-Unterhosen.

Eure euch liebende Schwester Nene

P.S. Bitte sucht für die Beerdigung von Mutter noch ein passendes Kleid.

© W. Bethge, 2011
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(1) Davao Region's finest public cemetery, 2009/10/30, in:
http://www.pia.gov.ph/?m=12&sec=reader&rp=1&fi=p091030.htm&no=10&date=10/30/2009
(2) Siehe hierzu auch meinen Artikel, Der chinesische Friedhof in Manila, in: htttp://bethge.freepage.de/cemeterydt.htm
(3) Rizal's tomb needs to be open for the body needs autopsy, in: http://houseofdelapena.webs.com/apps/blog/show/5433633
(4) Cris Evert Lato, Cremation as an option to burial, in Cebu Daily News, 11.03.2008
(5) Manila offers free cremation for poor residents, 11/28/ 2008 in: http://www.gmanews.tv/story/136398

Montag, 30. Mai 2011

Blütensynphonie in Rot

Wir wollen hier zwei auf den Philippinen vorkommende Bäume vorstellen, die ökonomisch zwar weniger bedeutungsvoll sind, die aber insbesondere in der Blütephase zu den schönsten und eindruckvollsten Ziergehölzen der Tropenregion zählen.

Kabaybo-Baum

Der Kabaybo-Baum (Tagalog) ist unter den Namensbezeichnungen Delonix regia (lat.), afrikanischer Tulpenbaum, Fire- oder Flame Tree weitaus bekannter. Er gehört zur Familie der Hülsenfrüchtler und hier zur Unterfamilie der Johannisbrotgewächse. Die Delonix-Gattung selbst kennt mindestens zehn Arten. Wir beschränken uns hier auf die Delonix regia. Sie kommt auf den Philippinen am häufigsten vor.

Der Kabaybo-Baum hat eine relativ breite Baumkrone mit weit reichenden Ästen und wird bis zu zwanzig Meter hoch. Er ist ein Laubbaum, der nur zu Zeiten großer Trockenheit seine grünen Fiederblätter abwirft. Die etwa 60 cm langen, wechselständigen Fliederhauptblätter haben ihrerseits 7–10 mm kleine, paarige und ovale Fliederblättchen. Das Fliederlaub wirkt elegant und farnartig.



Etwa ab dem fünften Wuchsjahr finden sich in der Baumkrone in den Sommermonaten die zahlreichen traubigen, in der Regel scharlachroten Blütenbüschel. Die Blüte hat fünf Kronblätter, die sich am Rand etwas kräuseln. Das größere Kronblatt kann eine andere hellere Zeichnung aufweisen. An einem Baum gibt es in der Regel Tausende von Blüten und die Vielzahl der leuchtend roten Blütencluster lässt Assoziationen an ein Flammenmeer aufkommen. Nach den Aufzeichnungen von Antonio Pigafetta vermittelte sich dieser Eindruck auch Magellan und seinen Expeditionsteilnehmer bei einer ersten Sichtung von Landzonen. Es „brannte“ offensichtlich, man sah aber keinen Rauch. Blüten und Blätter des Kabaybo-Baums werden von vielen Insekten und auch Raupen aufgesucht.

Die gereiften dunkelbraunen Fruchtschoten können eine Länge von bis zu 60 cm und eine Breite von 5 cm erreichen. Die 20 - 40 Samen pro Schote sind gefleckt, länglich und vergleichsweise klein. Weil die Schoten im Wind klapper können, werden sie in der Karibik spöttisch auch „Woman´s tongue“ genannt - eine Bezeichnung, die den Frauen sicher nicht zur Zier gereicht und die wir natürlich strikt ablehnen.

Die Wildpflanze ist auf den Philippinen eher selten. Kultivierte Arten finden sich jedoch in Parks, Gärten und Straßenalleen häufiger. Hier sind sie primär aus dekorativen Gründen angepflanzt. Relativ bekannt sind die weit sichtbaren Fire-Trees auf dem Campus der University of the Philippines und der und der Ateneo de Manila University. Erwähnen wir noch kurz, dass das Department of Environment und Natural Resources (DENR) im Rahmen seiner„10 million trees campaign“ den Kabaybo- oder Fire-Tree auf die Liste empfehlenswerter Bäume gesetzt hat. Das Holz wird wirtschaftlich kaum genutzt; auch die medizinische Verwendung der Rinde und Blätter des Baumes ist eher selten.

Folgt man einer Erzählung von Florence Partello Stuart (1), dann hatte der Kabaybo-Baum bei den Moros eine rituelle Bedeutung. Man zog nur dann in den Krieg mit einem benachbarten Stamm, wenn ein frühmorgens gepflückter und ins Flussufer gesteckter Zweig auch noch am Abend seine rote Farbe behielt.

Der Kabaybo-Baum ist auf höhere Temperaturen angewiesen. In unseren Breitegraden kann er im Hochsommer im Freien stehen, in den anderen Monaten muss man ihn in beheizten Wintergärten unterbringen. Pflanzensetzlinge mit 40–60 cm Höhe werden in Deutschland ab 24 € angeboten (2).

Dap-Dap Baum

Der Dap-Dap Baum ist wie der Kabaybo-Baum gleichfalls ein Hülsenfrüchtler und gehört zur Familie der Schmetterlingsblütler beziehungsweise – etwas tiefer in der Systematik - zur Gattung der Korallenbäume. Die Gattung der Korallenbäume ist mit über 100 Arten in den Tropen und Subtropen sehr variantenreich. Korallenbäume wurden wegen ihres dekorativen Erscheinungsbildes auch schon zu „Gems of the floral world“ (Edelsteine der Pflanzenwelt) verklärt. Wir konzentrieren uns hier auf den Dap-Dap Baum, der die lateinische Bezeichnung „Erythrina variegata“ trägt, gleichwohl unter der englischen Bezeichnung „Indian coral tree“ bekannter sein dürfte.

Der Baum wird 3-20 Meter groß und hat eine ausgeprägte, stark verzweigte Krone. Der Stamm ist kurz und dick, die kräftigen Äste und Zweige weisen Stacheln auf. In der Regel erst nach der Blüte wachsen die 10–20 cm langen ovalen Blätter. Ein Blatt verfügt über drei Teilblätter.



Nach circa 3-4 Jahren präsentiert der Korallenbaum seine Blütenpracht. Zum Zeitpunkt der Blütenexplosion (Januar–März) sind die Äste zumeist kahl. Aus den spitzen, länglichen Blütenkelchen treiben zahllose 2-5 cm lange Blüten, die in ihrem Aufbau an die Blüte der heimischen Erbse erinnert. Die fünf Kronblätter bilden eine Fahne, zwei Flügel und das aus zwei Kronblätter bestehende Schiffchen. Die etwas längere Fahne ist häufig klauenförmig nach oben gebogen. Die Blüten des Dap-Dap duften zwar nicht, sind aber reich an Nektar. Dies lockt wiederum viele Vögel und Insekten an, die die Blüten befruchten.

Die zuletzt verholzte Frucht wird 10–20 cm lang und enthält 5–10 dunkelbraune, bohnenähnliche Samen, die roh giftig sind. Die Samen duften und wurden früher zu Schmuck verarbeitet. Unter medizinischen Aspekten können die zerstampften Samenkerne einen Brechreiz auslösen und als Pasten Schwellungen der Gliedmaße mindern und Rheumabeschwerden lindern. Aus den Samen hat man auch Fischgift zubereitet.

Der Korallenbaum dient auf den Philippinen primär dekorativen Zwecken. Zudem hält er den Wind ab und spendet Schatten. Da er Nitrogen bindet, wird er auch als Zwischenfrucht in anderen Nutzpflanzenkulturen eingesetzt. Das weiche Holz wird weniger genutzt. Früher hat man aus unter anderem auch Holzschuhe hergestellt. In kälteren Zonen kann das Dap-Dap Gehölz als Strauchpflanze in Kübeln und warmen Winterquartier gehalten werden.
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Der Dap-Dap Baum ist auch Gegenstand eines anrührenden philippinischen Herz-Schmerz-Märchens (3) das zum Baum jedoch selbst nur in sehr lockerer Beziehung steht. In der Kurzfassung handelt es von dem schönen Märchen Dai-s, das so „sanft war wie ein Abendlüftchen, gütig und edelmütig“ war. Was Wunder, dass die Schar der Freier nicht abreißen wollte. Doch den Eltern war kein Freier gut genug. „Deshalb blieb Da-i unverheiratet und unglücklich“.

Der Zufall kommt ins Spiel. Als Da-i eines Tages auf dem Feld war, kommt ein schöner Jüngling vorbei. Die beiden lächeln sich zu und bekunden ihre Sympathie. Der jähzornige Vater erfährt jedoch von dem Treffen und verbietet Da-i jedes weitere Zusammentreffen.
Da-i gehorcht, aber der schöne Jüngling, der Sohn eines benachbarten Häuptlings war, überredet Da-i zur heimlichen Flucht. Das Liebespaar wird jedoch gesichtet und der Vater nimmt die Verfolgung auf. Er fordert, beide zu töten. Pfeile fliegen und unter Schmerzen kommen die Liebenden zu Tode. Zuvor hatte Da-i noch die Götter um Beistand gefleht. Diese rächen sich mit Überschwemmungen und Erdstößen.

Als die von den Götter zur Strafe geschickte Flut vorüber war, stellten die Dorfbewohner erstaunt fest, dass an der Stelle, wo die Liebenden gestorben waren, eine ihnen unbekannte Pflanze wuchs. Im Gedenken an das Liebespaar nannten die Leute die Pflanze Dap-Dap, das heißt die Unglücklichen.

© Wolfgang Bethge, 2011
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(1) Florence Partello Stuart, The Adventures of Piang the Moro Jungle Boy, http://www.gutenberg.org/files/22407/22407-h/22407-h.htm
(2) siehe: http://www.flora-toskana.de/onlineshop2/advanced_search_result.php?keywords=delonix+regia&osCsid=87b8f20e6776af76312568c427548f7c&x=0&y=0
(3) Woraus der Dapdapbaum erwuchs, in: Philippinische Märchen, Dausien-Verlag, 1978, S. 89

Sonntag, 27. Februar 2011

Schwindende philippinische Meersalzgärten



Der Salzgehalt von Meerwasser liegt im groben Durchschnitt bei 3,5 %. Das bedeutet, dass ein Liter Meerwasser circa 33,3 Gramm Salz enthält. Je nach dem Umfang von Süßwasserzuflüssen und Verdunstungsgrad variiert der oben angegebene Prozentsatz. Die Ostsee hat zum Beispiel nur einen Salzgehalt von 0,2 – 2 %, beim Toten Meer sollen es 28 % sein. In unserem Zusammenhang interessiert der Pazifik mit 3,2 – 3,7 Prozent, d. h., auch auf den Philippinen sind günstige natürliche Voraussetzungen für eine Meersalzgewinnung gegeben.

Fügen wir hier noch kurz an, dass man insbesondere Stein- und Meersalz unterscheidet. Das überwiegend vorkommende Steinsalz wird bergmännisch und trocken abgebaut. Es ist auch ein Meersalz, das vor Urzeiten durch die Austrocknung von Meeren entstand. In der Zusammensetzung gibt es noch einen kleinen Unterschied. Das raffinierte Steinsalz enthält bis zu 98 % Natriumchlorid. Beim Meersalz liegt der Anteil des NaCl mit 96–97 % niedriger. Doch nun näherhin zur Seesalzproduktion auf den Philippinen.

Meersalzernte

Salzgärten wird man nicht in der Manila-Bay anlegen, denn hier dürfte man kaum ein reines, von Schadstoffen unbelastetem Meerwasser vorfinden. Das Land hat aber sowohl im Norden wie im Süden noch tadellose Meeresabschnitte mit geringer Schadstoffbelastung, die für die Salzgewinnung geeignet sind. Insbesondere in den Provinzen Pangasinan, Bulacan und Mindoro Occidental wurde und wird noch Meersalz geerntet. In den Namen der Provinz Pangasinan ist das Wort für Salz – „asin“ ausdrücklich eingegangen, die Provinz ist das „Land des Salzes“.

Die für die Salzgewinnung unter Sonneneinstrahlung notwendigen Verdunstungs- und Konzentrationsprozesse sind in der Regenzeit nicht möglich. Deshalb findet die Salzgewinnung in der Regel nur in der Zeit von Dezember bis Mai statt. Danach werden die Salzbetten geflutet und streckenweise in Teiche für die Aufzucht von Fischen und Shrimps umgewandelt.

Man legt zunächst größere flache Seen oder Becken an. Über Wochen und Monate verdunstet dann das in diese „Salzgärten“ eingelassene Meerwasser unter der Einwirkung von Sonnenenergie und feuchtigkeitsaufnehmenden Winden. Es bildet sich eine Salzlake, die durch weitere Becken zur weiteren Konzentration geleitet werden kann. Die Becken können durch salzliebende Bakterien eine rote Färbung aufweisen. Jetzt kann man den Salzbrei auch schon versuchen, von Unreinheiten zu säubern. Das Restwasser wird abgelassen. Die letzten rechteckigen kleineren Kristallisationsbecken sind flach und häufig mit Plastiksäcken oder -planen ausgeschlagen. Hier findet die abschließende harte Arbeit der Salzernte statt. Der Salzbauer oder seine Helfer werden vielleicht versuchen mit einer Schaumkelle die auf der Oberfläche schwimmende feinblättrige Salzblüte („fleur de sel“) abzuschöpfen. Dieses Salz ist besonders kostbar und teuer. Das am Boden ausgefällte Salz wird oft als das „graue Salz“ („sel gris“) bezeichnet. Es wird mit langen Brettrechen vom Boden der Bahnen abgezogen und in Haufen am Rand der Felder zur weiteren Trocknung aufgehäuft und später in Körben und Säcken gesammelt. Mit neuem in die Becken eingeleitetem Meerwasser kann dann eine weitere Ernte beginnen.

Geschmack

Die Frage, ob Seesalz anders oder sogar besser als das normale Steinsalz schmeckt, ist fast schon eine Glaubensfrage. Beide Salzarten sind in Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung annähernd gleich. Aber eben nur annähernd – der Anteil an Natriumchlorid (NaCl) beträgt beim Steinsalz etwa 99 %. Steinsalz ist härter und „salziger“. Chemisch weist das feuchtere, weniger gereinigte Seesalz unter anderem durchschnittlich 0,5 % Calciumsulfat, 0,3 % Magnesiumchlorid, 0,2 % Magnesiumsulfat (Bittersalz) und 0,1 % Kaliumchlorid auf. Es ist zweifelhaft, ob diese geringe Differenz im Mineralstoffgehalt – insbesondere dann, wenn Salz in Speisen weiter verarbeitet wird – unterschiedliche Geschmackserlebnisse zulässt. Vereinzelt gibt es sogar Stimmen, die behaupten, das Meersalz sei wegen seiner Mineralien und seiner Mikrogramm Vitamine A, B und C gesundheitsförderlicher.

Eher vorstellbar ist, dass Meersalz aufgrund seiner körnigen, manchmal länglich-hohlen oder auch pyramidenförmigen Struktur (Textur) zu anderen, „knackigen“ Gaumenerlebnissen führt. Ob Meersalz aufgrund der anderen Auflösung im Mund wirklich einen „bigger burst of salt to the tongue“ (1) auslöst, kann man bezweifeln. Die Meersalzhändler und Salzgourmands haben – wenngleich nicht auf dem hohen Entwicklungsniveau der Weinwinzer – gleichfalls eine Werbeterminologie entwickelt, wenn sie auf der Suche nach einzigartigen Produktattributen zum Beispiel von „ausgereiften“, „erdigen“, “sanften“ und „ursprünglichen“ Geschmacksnuancen ihres Salzes, „dem weißen Gold“, sprechen. Deutlichere Geschmacksunterschiede zum Steinsalz bieten vermutlich nur die Würz- und Räuchersalze, von denen es zu höheren Preisen eine ganze Reihe gibt.

Rückläufige wirtschaftliche Entwicklung

Die Salzgewinnung aus Meerwasser war auf den Philippinen ein kleinbäuerliches Gewerbe mit jahrhundertelanger Tradition. Hohe Marktpreise für Konsumsalz und industrielles Salz führten In den späten neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem regelrechten Produktionsboom auch beim Meersalz. Selbst der Multimillionär Andrew Tan stieg in das Geschäft der Meersalzproduktion ein und beschäftigte auf seinen rasch installierten Salzfarmen zahlreiche Caretaker.
Doch dann wurde ein neues GATT-Abkommen wirksam. Es erlaubte Ländern wie China und Indien Salz in die Philippinen zu exportieren und diese Länder produzierten billiger und mit besserer Qualität. Die Folge war ein rasanter Verfall der Salzpreise. Derzeit kostet ein 35kg-Sack Salz im Großhandel nur 200 Pesos, das Kilogramm Salz im Einzelhandel lediglich etwa 10 Pesos. Der niedrige Preis gibt also wenig Anreiz, in die Salzproduktion einzusteigen. Erschwerend kam noch hinzu, dass die philippinische Gesetzgebung eine Bestimmung verabschiedet hat, wonach das meiste Konsumsalz aus gesundheitlichen Gründen (Kropfbekämpfung) zu jodieren ist. Seesalz verfügt leider nicht in ausreichender Menge über Jud. Den kleineren Salzfarmen war und ist die Technik der Jodierung jedoch kaum zugänglich. So schlossen von den 52 in den neunziger Jahren in Bulacan vorhandenen Salzfarmen bis zum Jahre 2003 allein 32 Salzfarmen.17 Farmen wurden abgebaut (2). Proteste gegen die unerwünschten Salzimporte halfen nicht.

Es gibt kaum Zahlen über die derzeitige philippinische Salzproduktion. Sie sind nicht differenziert nach Salzarten und zudem noch widersprüchlich. Am vertrauenswürdigsten erscheint eine amerikanische Quelle, wonach die philippinische Seesalzproduktion 2007 bei 438.000 Tonnen lag (3). Bezüglich der philippinischen Salzimporte ist auch keine genauere Statistik abgreifbar – es gibt lediglich Hinweise, die eine beachtliche Importmenge erahnen lassen. Aus Indien wurden 2008 400.000 Tonnen Salz importiert (4). Ein Salzimporteur äußerte in einem Interview, dass etwa 80 bis 85 Prozent des in Nord-Mindanao vertriebenen Salzes importiert seien (5). Selbst die derzeit importierte Salzmenge reicht nicht aus. Das liegt nicht am Speisesalzbedarf der Filipinos. Der liegt zwischen 7 und 12 Gramm pro Tag und damit beachtlich über der von der von Ernährungsspezialisten Tagesmenge von knapp sechs Gramm (6). Man hat den hohen Salzkonsum der Filipinos mit dem häufigen Vorkommen von Bluthochdruck in Verbindung gebracht. Der Salzbedarf könnte auch noch aus einem anderen Grund steigen. Man hat mittlerweile entdeckt, dass Salz auch ein wichtiger, zudem preisgünstiger Dünger für Kokosnusspalmen sein kann (7). Das mag überraschen. Man sollte sich in diesem Zusammenhang aber daran erinnern, dass Kokosnusspalmen oft unmittelbar am Meeresstrand beziehungsweise auf Inseln ohne Süßwasservorkommen wachsen.

Luxussalz als Rettung?

So ganz hoffnungslos ist die Lage jedoch auch nicht, denn die internationale Spitzengastronomie und die Salzconnaisseure beginnen zunehmend das hochwertige philippinische Seesalz zu schätzen. „Yet unknown to most, the Philippine islands produces some of the highest quality natural sea salts available in the market” .äußert ein Kenner der Salzszene (8) . Die Preise für das rötliche “Pink Pangasinan Sea Salt“ sind im wörtlichen Sinne gesalzen. Die amerikanische Importfirma „LeSanctuare“ verlangt zum Beispiel für ein Kilogramm dieses rosa gefärbten Salzes stolze 46,20 $ (9). Für den Fall, dass sie nicht soviel Geld haben, empfiehlt sich vielleicht eine Kostprobe. Die Firma The Meadow bietet einen „Taster“ „Pangasinanan Star fleur de sel“ für nur 8,25 $ an (10). Welche Menge dürfen sie für diesen Preis erwarten? Es sind nur 1,2 ounces, das entspricht etwa 34 Gramm. Da Salz Wasser zieht, empfehlen wir eine andere Wertanlage.

Warum ist das Meer überhaupt salzig?

Den Ursprung des Meersalzes in Gesteinsverwitterungen zu suchen, ist zwar richtig, aber die kurze Feststellung ist doch sehr nüchtern. Ein philippinisches Märchen bietet eine weitaus fantasievollere, insbesondere Kinder ansprechende Begründung.


In grauer Vorzeit schmeckte das Meerwasser noch wie normales Regenwasser -etwas langweilig und fad. Glücklicherweise kannten aber die Eingeborenen einen freundlich gesonnenen Riesen, der auf einer kleineren, abgelegenen Insel wohnte. Die Insel hatte eine Höhle und barg einen Salzschatz. Regelmäßig kamen deshalb die Bewohner zur Insel und holten sich etwas von dem kostbaren Salz, um ihren Gerichten die richtige Würze zu geben.

Eines Tages ging den Bewohnern jedoch das Salz aus. Die Essen blieben geschmacklos, die Verzweiflung war groß. Eine Bootspassage erschien unmöglich, da die See sehr rau war. Da hatte ein Kind den glücklichen Einfall – man möge den Riesen doch bitten, sein langes Bein auszustrecken. Auf dem ausgestreckten Bein könnten dann die Bewohner zur Insel des Riesen laufen.

Der Riese stimmte zu und die Bewohner liefen mit ihren leeren Salzsäcken auf dem ausgestrecktem Bein des Riesen zur Insel. Doch wie es der Zufall will – der ausgestreckte Fuß des Riesen landete auf einem Ameisenhügel und die dort lebenden roten Ameisen setzten dem Riesen heftig zu. Es fiel ihm schwer, das Bein ruhig zu halte, deshalb bat er die Bewohner inständig, ihren Salztransport schneller abzuwickeln. Als die Bewohner die Insel erreichten, konnte der Riese das juckende Bein zurückziehen. Die Bewohner wunderten sich nur – wie konnten dem so großer Riesen die kleinen Tierchen so zur Qual werden?

Die Bewohner erhielten ihr Salz und machten sich auf den Rückweg. Wiederum bissen die Ameisen in das geschwollene Bein des wimmernden Riesen, der wiederum zur Eile drängte. Aber die Bewohner waren sorglos, schwatzend und in aller Ruhe trotteten sie auf dem Bein des Riesen in Richtung Heimat. Aber noch bevor die Bewohner das Land erreichen konnten, schrie der Riese auf und stieß sein abermals gebissene Bein mit aller Wucht in das Meer. Glücklichweise konnte der freundliche Riese die Bewohner vorm Ertrinken retten – aber das Salz war bei dem Vorfall ins Meer gefallen und löste sich dort auf. Aber es verschwand nicht, denn das Meer blieb von diesem Tag an salzig.


© Wolfgang Bethge, 2011
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(1) Pangasinan Rock - Sea Salts, http://www.acnseasalts.com/products.php
(2) Dabet Castañeda, Bulacan’s Salt Farms Melt Down, September 2003, in http://bulatlat.com/news/3-34/3-34-saltfarms.html
(3) U.S. Department of the Interior U.S. Geological Survey 2007 Minerals Yearbook- Philippines, in: http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/country/2007/myb3-2007-rp.pdf
(4) http://www.pr-inside.com/salt-seen-as-best-fertilizer-for-r829883.htm
(5) http://www.sunstar.com.ph/cagayan-de-oro/northern-mindanao-short-salt
(6) http://www.philstar.com/Article.aspx?articleId=634667&publicationSubCategoryId=80
(7) http://philippines-living.com/sites/philippines-living.com/files/user-files/admin/salt-coconut-fertilizer.pdf
(8) http://liveinthephilippines.com/content/2009/12/5-filipino-ingredients-i-love-to-use-in-my-cooking/
(9)http://www.le-sanctuaire.com/mm5/merchant.mvc?Screen=PROD&Store_Code=ls&Product_Code=SSTPangaPink&Category_Code=SSTSalts
(10)http://www.atthemeadow.com/shop/index.php?main_page=product_info&products_id=349:0c594db4fb97c116a712092fa06d504f

Mittwoch, 9. Februar 2011

Der verblichene Götterhimmel der frühen Filipinos



Vor Ankunft der spanischen Kolonisatoren bestimmte ein buntes und vielgestaltiges Götterpantheon das Leben der Inselbewohner. Höhere Mächte, wohlwollende aber auch bösartige übernatürliche Wesen wirkten nach den Vorstellungen der Eingeborenen auf die elementaren Erlebnisse von Geburt und Tod, Eheglück, Naturkatastrophen sowie gute Ernten und Missernten ein.

Es wird öfters behauptet, dass die in vorkolonialer Zeit verehrten Götter hinduistische oder buddhistische Wurzeln gehabt hätten. Nähere Hinweise auf Querverbindungen sucht man jedoch zumeist vergeblich. Der Animismus – der Glaube an eine beseelte, von Geistern bestimmte Natur – war wohl vorherrschend. Dieser Glaube wurde weitgehend mündlich tradiert. Das wenige überlieferte Schrifttum liefert keine ausgeklügelte Metaphysik oder einen an die griechische Mythologie erinnernden Handlungsreichtum. Breitere Textausführungen finden sich zumeist nur zu den an der Schöpfung des Universums mitwirkenden Hauptgöttern. Von vielen Nebengöttern hingegen kennt man oft nur den Namen und ihre Zuständigkeit.

Die späteren spanischen Konquistadoren und hier insbesondere die ihnen folgenden geistlichen Herren haben die wenigen schriftlich niedergelegten vorkoloniale Glaubenszeugnisse weitgehend vernichtet. Für sie galt es, die Eingeborenen – wenn nötig, auch mit Zwangsumsiedlungen – „unter die Glocken zu bringen“. Die Außendienstvertreter des Pontifex Maximus mussten im Rahmen der ihnen aufgetragenen  Heidenmission vermutlich erst ein Sündenbewusstsein wachrufen und entwickeln, um es dann wieder mit kirchlichen Mitteln zu kurieren. Man könnte ihr Handeln auch unter das Motto stellen:  „Lehre die Sünde, um dann mit ihr zu handeln“.

Die zum Seelenheil geschickten Langröcke propagierten einen relativ abstrakten, sinnenfernen Gott, der nicht wie der Hauptgott der Tagologen – Bathala – und andere Götter auch menschliche Züge trug. Immerhin erleichterte der in weiten Landesteilen anzutreffende Glaube an einen Hauptgott die christliche Missionierung. Man brauchte ihn im Prinzip nur auszutauschen.  Aber die sonst anzutreffende Vielgötterei, „der verschwenderische Aberglaub an Stein, Schroffen, Felsen, Klippen, Landspitzen“ (Collins (1)) war den Missionaren sicherlich ein Ärgernis, das man auszuräumen versuchte. Natürlich bot es sich auch an, die relativ abstrakte Botschaft mit einem opulenten Verkündigungsritus, mit Kruzifixen, Rosenkränzen und Heiligenbildern optisch zu stützen.  

Es sind noch ein paar Anmerkungen zum nachfolgenden Überblick zu machen. Der Artikel spricht zum einen nicht die höheren Schöpfungsgötter (wie Bathala, Maguaya oder die Seegöttin Amin Sinayaan) an, zum anderen klammert er auch die „lower gods“ oder Spukgestalten aus - wie zum Beispiel die Riesenechse Buwaya, den Pferdegott Tikbalnang, den bärtigen Baumbewohner Kapre oder die verführerischen Elfen.  Über letztere Gestalten der philippinischen Mythologie wurde an anderer Stelle berichtet (2) (3).  

Weiterhin könnte der falsche Eindruck entstehen, dass die damaligen Eingeborenen von der Vielzahl höherer und niedriger Götter quasi umzingelt gewesen wären. Dem ist nicht so. Unser Beitrag sammelt nur die Vielzahl erwähnter Götter aus allen Landesteilen, dem Norden des Landes, den Visayas, Mindanaos und Palawans. Nur aufgrund dieser Zusammenstellung ergibt sich der Eindruck der Überfülle.  Der weitgehend ortsgebundene Frühfilipino kannte vermutlich nur wenige Götter.


Fangen wir mit Göttern und Göttinnen an, die mit Naturerscheinungen in Verbindung gebracht werden. Auf Panay verehrte man Alusina, die Göttin der goldenen Morgenröte. Für Wind und Regen kamen je nach Region verschiedene Gottheiten in Betracht. Die Tagalesen sahen die launenhafte Göttin Anitun Tabi als Urheberin von Wind und Regen an. Auf Panay meinte man, der Regen seien die Tränen des trauernden Gottes Tungkung Langit.  Dieser hatte im Zorn seine eifersüchtige Frau aus den himmlischen Gefilden verstoßen - ein Schritt, der ihm in seiner nun einsetzenden Einsamkeit sehr leidtat. Immer wenn er danach an seine Frau dachte, musste er weinen und es regnete auf der Erde.
Bicolaner machten für Donner und Überflutungen den Gott Onos verantwortlich. In der Visayaregion glaubte man an die Vulkangöttin Lalahon. Um sie zu besänftigen, opferte man ihr zunächst Jungfrauen. Später – der himmlischen Jungfrau sei Dank – reichten zu ihrer Besänftigung Opferfeuer aus.  - Im Berg Mount Mayon saß alten Berichten von Bicol zufolge der Gott Gugurang. Er wachte über das Wohlergehen der Bevölkerung. Sah er diese jedoch vom rechten Weg abkommen, wurde er zornig und spie zur Warnung rotglühende Lava und Asche aus. Spezielle Priesterinnen mussten ihn mit Opfergaben beruhigen.  Merken wir eher am Rande noch an, dass man in Visaya auch einen Gott des Regenbogens verehrte. Der Stamm der Bataks auf der Insel Palawan kannte sogar einen Gott der kleinen Steine.

Wenden wir uns Göttern zu, die mit der Familie, dem Haushalt und dem Haus in Beziehung stehen. Das Problem nachlassender männlicher Spannkraft gab es offenbar schon zu Urzeiten. Natürliche Aphrodisiaka waren wohl nicht immer greifbar. Wie gut, dass sich in diesem Fall Frauen des Stammes der Bagobo auf Mindanao an die Göttin Malimbung wenden konnten. Diese Göttin soll über die Gabe verfügt haben, die sexuellen Gelüste der Männer zu steigern. Was aber, wenn der Beischlaf zu keiner Nachkommenschaft führen sollte? Die Ifugao wandten sich in dieser Situation an den Gott Komiwa. Er konnte angeblich das Sperma im Leib der Frau so verrühren, dass es zu keiner Empfängnis kam.

Nicht jede Beziehung ist erwünscht. Die Tagologen konnten dann den Gott Manisalat bemühen. Er verfügte über die Gabe, starke Animositäten unter Paaren zu wecken, so dass es nicht zu sexuellen Kontakten kam. Manisalat gilt auch als Gott der zerbrochenen Familien. Aber es gab auch Hoffnung. Ein Gebet zur Göttin Dian Masalanta (späterer Name: Maria Makiling) konnte wieder alles zum Besseren wenden. Sie, deren Bruder Apolake eigenartigerweise ein Kriegsgott war, wirkte bei den Tagalogen als Göttin der Liebe, Schwangerschaft, Kindsgeburt und des Friedens.  Und wenn sie Segen für das Haus stiftete, war vielleicht auch der Gott der Musik Pasipo nicht fern.

Das Hausvieh wurde von der Göttin Idiyanale geschützt. In der Provinz Bukidnon standen die Wasserbüffel und Pferde unter der Obhut des Gottes Pamahindi. Die Ibaloy im nördlichen Luzon kannten sogar eine Göttin der Schweine. Vermutlich brauchte sich die Göttin Anagolay über Zuspruch nicht beklagen. An sie wandte man sich, wenn Dinge verloren gingen.

Im und mit dem Haus kann mancherlei passieren. Bei dem Stamm der Isneg auf Luzon stand der Gott Darupaypay im Verdacht, den Reis zu verschlingen, noch ehe er in die große Kornkammer gebracht war. Ein Haus kann brennen. Die erste Reaktion wäre natürlich, es schnell zu löschen. Nach einer Sage der Tagolog-Region sollte man dies jedoch möglichst unterlassen. Das Feuer könnte auch der Gott Mankukulam unterm Haus gelegt haben. Die Sage will es nun, dass denjenigen, der das Feuer sofort löscht, der Tod ereilt.

Bauern, Fischer, Jäger und Krieger hatten jeweils ihre eigenen Schutzgötter. Erwähnt sei hier nur die hermaphroditische Fruchtbarkeitsgöttin der Tagalogen Lakampati. Man rief sie - die Göttin der kultivierten Felder - insbesondere bei Hungersnöten an.  In der spanischen Zeit nimmt sie jedoch dämonische Züge an. Von den Tagologen wurde auch die Erntegöttin Idinale bemüht. Man brachte ihr eine Schüssel Reis an Vollmondnächten dar. In Visayas musste man die Göttin Lalahon mit Opfergaben besänftigen, damit nicht ihre Heuschreckenschwärme die Ernte vernichteten. - Mangaragan war der Gott des Krieges und Ginton war bei dem Stamm der T´boli  der für die Metallverarbeitung zuständige Gott.

Wir kommen auf den Themenkreis Krankheit und Tod zu sprechen. Der Stamm, der T´boli kannte allein vier Götter, an die man sich wenden konnte, wenn einen das Fieber, Erkältungen, Kopfschmerzen oder Hauterkrankungen plagten. In Visayas waren es der Vogelgott Bulalakaw oder auch kapriziöse Gott Makaptan, der Krankheiten nur aus dem Grund brachte, weil er in seiner Himmelshöhe nie ein Gericht oder Getränk von Menschen bekommen hatte. Die Göttin Linga war bei den Tagalogen eine echte Heilgöttin. Diese durfte aber keinesfalls verwechselt werden mit der freundlich auftretenden aber hinterhältigen Göttin Manggagaway. Sie gab sich landauf landab als Heilerin aus. Doch statt Krankheiten zu kurieren, übertrug sie diese.

Bei Todesfällen haben natürlich auch die Götter ihre Hand im Spiel. Nach einer Legende der Bagobo bestimmt die Unterweltgöttin Mebuyan den Tod. Immer wenn sie einen Zitronenbaum in ihrem Reich schüttelt, stirbt ein Mensch. Ist die heruntergefallene Frucht noch grün, stirbt ein junger Mensch. Ist sie schon reif, wird ein älterer Mensch ins Reich der Toten gerufen. – In Visaya ist es der Gott Magyan der die Seelen der Toten in seinem Boot Balanday ins Höllenreich fährt. Nach den Glaubensvorstellungen der Bataks gehen die Seelen der Toten zunächst in den jenseitigen Ort Basad ein. Hier erfahren sie vom Totengott Angoro, ob sie in den Himmel Lampanag oder ob sie in Basad verbleiben. Hier erwartete sie aber später nur Feuer und siedend heißes Wasser.

Blenden wir noch kurz Gottheiten ein, die durch ihre äußere Erscheinungsweise auffielen. Man kann zum Beispiel auch durch Schönheit auffallen. In Visaya rief man die Göttin Dal´Iang an, wenn sich bei einer Person Schönheit nicht zeigen wollte. In dieser Region kannte man auch die vieläugige Göttin Dalikamata. Sie konnte Augenkrankheiten heilen. Über nur ein Auge verfügte die Mondgöttin Mayari. Der Windgott Paros und die Seegöttin Dagat der Bicolaner hatten zwei Söhne, deren Körper ganz aus Gold beziehungsweise Kupfer war. Die Tochter Bitoon hatte einen silbernen Körper. Der Körper der Unterweltgöttin Mebuyan war nach der Legende der Bagobo nicht nur hässlich, er war auch ganz mit Warzen bedeckt. Mit den Warzen pflegte sie – wie auch immer - die in ihrer Unterwelt befindlichen toten Babys.

Heute sind die hier vorgestellten Götter weniger bekannt. Eine Ausnahme dürfte der Schöpfergott Bathala bilden, dem die Kinder oft noch in ihren Schulbüchern begegnen. Untergründig ist der Animismus aber weiterhin präsent. Das belegt der vielfach noch anzutreffende, weitgehend irrationale Geisterglaube im Land. Wer zum Beispiel hat nicht schon von Brunnengeistern gehört?

© Wolfgang Bethge, 2011
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(1) Allerhand so Lehr- als Geist-reiche Brieff, Schrifften und Reise-Beschreibungen, welche von denen Missionariis der Gesellschaft Jesu aus beyden Indien, und anderen über Meer gelegenen Ländern, Meistentheils von 1730 bis 1740 in Europa angelanget seynd. Aus hand-schriftlichen Urkunden und anderen bewehrten Nachrichten zusammengetragen von Pedro Probst, einem Priester derselbigen Gesellschaft“ , S. 55 – Vgl.: "Das Brot deren Indianer ist von Reiß" - Beschreibung der Philippinen von 1663, in: http://bethge.freepage.de/ kropff.htm
(2) Sonne, Mond und Sterne – Eine Exkursion in die philippinische Mythologie, in: http://bethge.freepage.de/sonnemond.htm
(3) Wolfgang Bethge, Creatures of Midnight – Philippinische Spuk- und Schreckensgestalten, in: http://bethge.freepage.de/creatures3.htm 

Freitag, 21. Januar 2011

Im Nescafé-Land



Einem philippinischen Witz zufolge saßen einige Vertreter kaffeeproduzierender Länder in einer Konferenz zusammen. Sie waren emsig bemüht, die Verdienste ihrer Länder um den Kaffee herauszustellen. Der kolumbianische Delegierte sagte: “Wir haben die besten Kaffeebohnen.“ Der japanische Vertreter würdigte die Verdienste seines Landes bei der technischen Verfeinerung des Kaffeearomas und der amerikanische Gesandte machte deutlich, dass Amerika die meisten Kaffeemarken und die modernsten Produktionsmethoden hätten. Da stand der philippinische Vertreter auf und erklärte stolz: „Und wir haben die Zwei-Stunden-Kaffeepause erfunden!“

Die Ausführungen des Filipinos werfen vielleicht ein Schlaglicht auf philippinische Arbeitsauffassungen; sie weisen aber auch daraufhin, welche Wertschätzung der Kaffee auf den Philippinen erfährt. Übertriebener und wohl auch leicht blasphemisch formuliert ein philippinischer Internetschreiber – hier in deutscher Übersetzung - unter anderem:

Koffein ist mein Hirte. Ich werde nicht dösen.
Es weckt mich auf grüner Weide.
Es erhebt mich über die noch schlafenden Massen.
Koffein du bist mit mir: Deine Sahne und dein Zucker werden mich trösten …


Die anregende Wirkung von Kaffee ist hinreichend bekannt. Eine heiße Tasse Kaffee zum Frühstück wärmt den Magen, klärt den Kopf und bringt einen von der Nacht in den Tag. Wie viel weitere Tassen sodann konsumiert werden, ist wahrscheinlich individuell sehr unterschiedlich. Denkbar zum Beispiel für einen städtischen Angestellten wäre eine weitere Tasse zur Überbrückung der Zeit zwischen Breakfast und Lunchtime. Bald ist die nächste Tasse fällig - kein Mittagessen ohne eine Tasse Kaffee. Die vierte Tasse kommt dann vielleicht zur Nachmittagspause. Das Abendessen schmeckt mit einer weiteren Tasse noch besser. Schließlich können auch die abendlichen Gespräche mit Kaffeetrinken verknüpft sein. Am nächsten Morgen beginnt der Kaffeezyklus wieder von vorne.

Wir haben hier den Tagesablauf eines Vieltrinkers skizziert. Ob bei den Filipinos tatsächlich eine Kaffeemanie - wie gerne behauptet wird - vorliegt, ist indessen fraglich. Der Durchschnittskonsum bei philippischen Erwachsenen liegt nach einer Statistik nämlich nur bei knapp über zwei Tassen Kaffee pro Tag (2). Schenkt man dieser Statistik Vertrauen, dann wird offensichtlich ein nur sehr dünner Kaffee getrunken, denn nach einer Wikipedia-Statistik betrug der Pro-Kopf-Konsum auf den Philippinen 2008 lediglich 0,7 kg pro Kopf. (Vermutlich ging man bei dieser Statistik von der Gesamtbevölkerung einschließlich Kindern und dem vorherrschenden Instantkaffee aus). Es gibt übrigens einige Länder in Südostasien, für die ein noch niedriger Kaffeekonsum ausgewiesen wird (z. B. Thailand, Indonesien, Indien) (2).

Bleiben wir kurz beim dünnen Kaffee. Über Kaffee verfügen zumeist auch ärmere Haushalte, Kaffee ist aber auch für den philippinischen Normalhaushalt relativ teuer. Es wundert deshalb nicht, dass er häufig mit viel Wasser gestreckt wird. Manchmal begegnet einem nur noch eine Kaffeewasser-Plärre, die nur leicht braunes heißes Wasser darstellt. Der frühere amerikanische Präsident Lincoln hat in diesem Zusammenhang einmal geäußert: “If this is coffee, please bring me some tea; but if this is tea, please bring me some coffee.“

Hauptgetränk auf den Philippinen bleibt das natürliche Wasser, in der Regel Leitungswasser. Das ungekochte Wasser ist jedoch – insbesondere in städtischen Slumgebieten - häufig nicht keimfrei. Gottseidank, so möchte man sagen, folgt dann in der Rangfolge in der Reihe der Getränke der mit heißem Wasser zubereitete Kaffee.

Werfen wir aber zuvor einen kurzen Blick auf die nichtalkoholische Getränkekonkurrenz, auf mögliche Substitute. Tee wird auf den Philippinen eher selten getrunken. Der Absatz von Tee verzeichnet jedoch - bei niedrigem Ausgangsniveau – in jüngerer Zeit stärkere Zuwächse. Zurzeit rührt im die Nestlé Company im Fernsehen für ihren Nestea heftig die Werbetrommel.

Als weiteres nichtalkoholisches Getränk könnte noch „bottled water“ in Betracht kommen. Hier lag der jährliche Konsum pro Kopf der Bevölkerung 2004 immerhin bei 17,1Liter (3). Zum „bottled water“ gehören unter anderem Brunnen- und Mineralwässer, mit und ohne Kohlensäure („carbonated“) oder mit Koffein oder Zitronen– oder Erdbeeraroma. Der Absatz dieser prestigeträchtigeren, eher in Mittelschichthaushalten anzutreffenden Getränke weist wie der Tee eine steigende Tendenz auf.

Im Internet finden sich nur wenige Zahlen über den Konsum von Colagetränken auf den Philippinen. Sofern vorhanden sind sie auch nicht ganz eindeutig und widerspruchsfrei. Genauere Marktforschungsergebnisse sind kostenaufwendig. Eine frei zugängliche Quelle setzt jedoch den Coca-Cola Softdrink-Absatz auf den Philippinen um die Jahrtausendwende mit 121 Litern pro Jahr und Kopf an (4). Damit kommen die Philippinen längst nicht auf die Konsummenge der US-Bürger (212 Liter), übertreffen aber deutlich den Weltdurchschnitt liegt (83 Liter) (5).

Zurück zum Kaffee, der auf den Philippinen auch gerne kalt getrunken wird. Man kann ihn in Gestalt grüner Kaffeebohnen, geröstet und gemahlen und als löslichen Pulverkaffee kaufen. Filipinos bevorzugen ganz eindeutig den löslichen Kaffee und hier ist der Instantkaffee von Nestlé in aller Regel die Marke ihrer Wahl. 90 % des auf den Philippinen verkauften Kaffees ist Instantkaffee (6). Solch hohe Instantanteile findet man ansonsten nur noch in Südkorea (95%) und in Großbritannien (90%). In Deutschland beträgt der Anteil von löslichem Kaffee am gesamten Kaffeemarkt nur 11 Prozent (7). Der Nestle-Pulverkaffee kam übrigens Ende des 2. Weltkrieges mit den amerikanischen Soldaten auf den Inselarchipel.

Für Kaffgourmands ist löslicher Kaffee - auch in seinen verfeinerten Versionen - in der Regel ein Gräuel und sie verweisen darauf, dass hochwertiger gemahlener und gebrühter Kaffe das bessere Aroma und den besseren Geschmack habe. Filipinos scheren sich in ihrer Mehrheit wenig um dieses Urteil. Bei ihnen rangiert der Vorteil der schnellen und einfachen Kaffeezubereitung offenbar höher. Vielleicht wirken auch schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit mit nicht vakuumverpacktem Röstkaffee nach. Dieser konnte nämlich schnell muffig schmecken. Instantkaffee wird auf den Philippinen also stark präferiert. Einige Kenner meinen jedoch, der gemahlene Röstkaffee stünde insbesondere mit dem starken Aufkommen städtischer Coffee-Shops (Starbuck) vor einer Renaissance.

Nestlé ist mit 85 % Marktanteil am gesamten Kaffeemarkt Marktmonopolist auf den Philippinen (8). Andere Unternehmen wie Commonwealth Food, General Milling Company, Universal Robina Company oder der Marktneuling Starbuck knappern nur am äußeren Rand des gesamten Kaffeekuchens. Die Liste der von Nestlé vertriebenen Produkt- und Verpackungsvarianten ist länger. Wir wollen hier nur auf den „Nescafe Classic“, den „Nescafe Gold“ und das Kaffeemixgetränk „Nescafe 3 in 1“(mit Creamer und Zucker) verweisen. Sari-Sari-Shops bieten haben häufig auch die 15-Gramm-Tütchen („Sachets“) im Angebot. Sie erscheinen zunächst preisgünstiger und sprechen auch die klammen Käufer an. Zum weiteren Umsatz tragen auch die Milchweißer und die auf Franchisebasis vertriebenen Nescafe Point Coffee-Shops bei. - Nestlé gehört mit zu den werbeintensiven Unternehmen, die einem den TV-Genuss auf den Philippinen durch stete Wiederholung vergällen können. Es dominiert „musical entertainment“ (Pop) als werblicher Ansprachestil. Die Aussagen sind recht trivial und sollen Optimismus ventilieren: „Have a good Day!“ oder „Open up“.

Nestlé bemüht sich seit 1994 mit einer extra eingerichtete „Nestle Experimental and Demonstration Farm (NEDF)“ in Tagum City intensiver um die Ausweitung und Qualitätsverbesserung des philippinischen Kaffees. In den letzten 13 Jahren sollen dort über 12.000 Kaffeeanbauer aus- und weitergebildet worden sein. Und dieser Hinweis führt uns kurz zur Geschichte des philippinischen Kaffeeanbaus.

Man nimmt an, dass der Arabica-Kaffeestrauch um 1710 von spanischen Mönchen auf die Philippinen eingeführt wurde. Die Voraussetzungen waren günstig, denn die Philippinen liegen klimatisch-geografisch im sogenannten weltweiten „Kaffee-Gürtel“. Der Kaffeeanbau wurde dann insbesondere in der in der Provinz Batangas betrieben. Um 1880 standen die Philippinen auf der weltweiten Kaffeeexportliste sogar an der vierten Stelle. Aber dann schlägt der Kaffeepestvirus auch auf den Philippinen zu. Er hält sich zunächst nur noch in lokalen Nischen auf Mindanao. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts steht der Kaffeeanbau wieder in relativer Blüte. 1986 können noch 45.000 Tonnen Kaffee exportiert werden. Doch 1989 steigen die USA aus dem internationalen Kaffeekartell, das zuvor den philippinischen Export begünstigt hatte, aus. Die Folge war ein rapider Preisverfall. Viele Bauern steigen aus dem Kaffeeanbau aus, die früheren Kaffeeanbauflächen werden zugunsten anderer Produkte umgewandelt.

Heute soll es nur noch 30.000 Kaffeefarmer, die zudem oft noch den Kaffeeanbau im Nebenerwerb betreiben, geben. Betrug 1989 noch die Anbaufläche noch 130.000 Hektar, so wurden 2009 nur noch 70.000 Hektar mit Kaffeesträuchern bepflanzt. 2001 erntete man noch 112.000 Tonnen Kaffeebohnen, so waren es im Jahre 2008 nur noch 97.400 Tonnen – und dies trotz aller Revitalisierungsanstrengen des National Coffee Board (NCB) die Produktionsmenge zu steigern. Die Philippinen sind von einem Kaffeeexportland zu einem Kaffeeimportland geworden. 30.000 Tonnen Kaffee müssen derzeit aus dem Ausland importiert werden (9). Importiert wird der Kaffee zumeist aus Vietnam, das seinen Kaffeeanbau mit effizienten Produktionstechniken im letzten Jahrzehnt stark ausgeweitet hat und heute - hinter dem Hauptproduktionsland Brasilien - mit 1,1 Millionen Tonnen Kaffeebohnen an zweiter Stelle der Produktionsländer steht. Der Hektarertrag in Vietnam beträgt annähernd das Zehnfache des philippinischen Ertrages(10). Weltwirtschaftlich gesehen spielt die philippinische Kaffeeproduktion mit knapp über einem Prozent Weltmarktanteil so gut wie keine Rolle. Die Produktionsmethoden als antiquiert. Die philippinischen Kaffeeanbauer fürchten auch die kurzfristigen Preisschwankungen und den langfristigen Preisdruck auf dem Weltmarkt.

Etwa 67 Prozent des Kaffees wird heute in Mindanao angebaut. Es folgt dann mit weiterem Abstand das südliche Luzon.

Vier Kaffeesorten sind auf den Philippinen anzutreffen. Fast neunzig Prozent der Produktion entfallen jedoch auf die Sorte Robusta. Sie wird wegen ihres kräftigen Körpers und der niedrigeren Kosten - auch bei Nestle - vor allem als Füllkaffee für die Produktion von Instantkaffee herangezogen. Der Geschmack ist streng und leicht bitter, der Koffeingehalt höher. Die erlesenere Sorte Arabica wächst im philippinischen Hochland, zum Beispiel in den nördlicheren Kordilleren. Gleichfalls weniger angebaut, aber gerne beigemischt wird die Sorte Exelsa. Ihr aromatischer Geschmack wird als eher süß und fruchtig beschrieben. Große Zukunftshoffnungen setzt der Philippine Coffee Board (PCB) in die vierte Tiefland-Sorte Libreca. Sie hat besonders große Kaffeekirschen, einen kräftigen und würzigen Geschmack und liefert den einheimischen Kapeng Barako Kaffee, den man jetzt wieder stärker im Inland wie Ausland vermarkten will. Man verspricht sich m internationalen Kaffeegeschäft Wettbewerbsvorteile, weil die Sorte Libreca ansonsten nur noch in zwei anderen asiatischen Ländern wächst.

Sie haben zu viel Geld, wollen dies aber nicht zum Beispiel an den Autoren verschenken, sondern sich eher eine exquisite Kaffeefreude bereiten? Dann probieren sie doch einmal „civit coffee“.

Er gilt als teuerster Kaffee der Welt und hat etwas mit der Zibetkatze („alamid“) zu tun. Zibetkatzen fressen gerne die süßlichen roten Kaffeekirschen. In der Vergangenheit wurden sie gejagt, weil man ihr Fleisch schätzte. Heute schätzt man eher ihre Hinterlassenschaft nach dem Kirschenverzehr. Die Kirschen werden im Magen der Zibetkatzen fermentiert. Nach ihrem Abgang und dem mühsamen Einsammeln der Kaffeebohne kann man dann einen Kaffee gewinnen, der - was Geschmack und Aroma anbelangt - angeblich seinesgleichen sucht. Ein Fundgebiet soll südlich von Manila in den Malarayat Bergen liegen. Der genauere Fundort wird aber streng geheim gehalten, weil man mit den Hinterlassenschaften der Zibetkatzen viel Geld verdienen kann. Für das Kilogramm Kirschkerne wurden schon über 115 $ geboten. Der hohe Preis erklärt sich durch die jährliche Angebotsmenge von nur etwa 500 kg (11). Wir wünschen einen köstlichen Kaffeegenuss.

© Wolfgang Bethge, in 2011
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(1) Vgl.: Coffee: Now the Good News, in: http:// www. agribusinessweek.com/coffee- now- the -good-news/

(2) List of countries by coffee consumption per capita in: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_coffee_consumption_per_capita
Die Philippinen haben damit im weltweiten Maßstab nur Rangplatz 93 inne. Die skandinavischen Länder sind – aus welchen Gründen auch immer - bei weitem kaffeesüchtiger. Sie konsumieren zwischen 10 – 12 kg pro Jahr und nehmen global die vorderen Spitzenplätze ein. Sicherlich ist die Höhe des Kaffeekonsums auch von Wohlstandsniveau eines Landes abhängig. Klammert man die südostasiatischen Industriestaaten aus, dann haben die Philippinen im innerasiatischen Vergleich jedoch einen relativ gehobenen Pro-Kopf-Verbrauch. So konsumiert man zum Beispiel in Laos lediglich 1,4, in Thailand und Indonesien nur 0,5 und in Sri Lanka und Indien nur 0,1 kg Kaffeee im Jahr pro Kopf der Bevölkerung. - Deutschland liegt mit 6,4 kg übrigens auf dem 12. Rangplatz.

(3) Public urged to quit bottled water habit, in: http://www.sunstar.com.ph/manila/public-urged-quit-bottled-water-habit

(4) Painting South Africa Red, in: http://www.brandchannel.com/features_effect.asp?fa_id=40

(5) Vgl. Welt-online in: http://www.welt.de/gesundheit/article3783415/Exzessiver-Cola-Konsum-fuehrt-zu-Muskelschwaeche.html

(6) Philippine Coffee Facts and Trivia, in: http://www.nicamandigma.com/philippine-coffee-facts-and-trivia/

(7) Das verborgene Kaffee-Imperium , Hamburger Abendblatt, 18.01.2011

(8) Alejandro C-. Mojica, Philippine Coffee 2020, in: http://www.bar.gov.ph/Agritech/Crops/coffee/coffee_investment_opportunities.pdf

(9) Philippines looking to revive coffee industry, in: http://www.abs-cbnnews.com/business/02/14/10/philippines-looking-revive-coffee-industry

(10) http://www.agriculture-ph.com/2009/07/coffee-talk.html

(11) BBC News , in: http://arengga.com/blogs/2009/03/22/the-philippines-taste-for-civet-coffee/#more-39

Samstag, 7. August 2010

Kopra – das getrocknete Kokosnussfleisch




Schlanke großgewachsene Kokonusspalmen mit meterlangen Palmwedeln prägen das Landschaftsbild der Philippinen.

Man geht davon aus,  dass auf  3,3 Millionen Hektar Land – das sind circa 25 % des bewirtschafteten Landes - etwa 330 Millionen Palmen wachsen (1). Sie produzieren nach einer groben Schätzung aus den achtziger Jahren jährlich durchschnittlich 14 Milliarden Kokosnüsse(2).

Die Palmenhaine werden von etwa 3,5 Millionen Farmern und Farmhelfern bewirtschaftet. Über neunzig Prozent der Farmen waren 1996 kleiner als fünf Hektar. Ihre Anbaufläche entsprach nur etwa einem Drittel der gesamten Anbaufläche im Land. Die Mehrzahl der Farmer sind also Kleinbauern („small holders“), die von den stärker schwankenden Koprapreisen abhängig sind und  die oft genug um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen müssen. Zwei Prozent der Farmen waren größer als 20 Hektar, repräsentierten aber 45 Prozent der gesamten Anbaufläche (3).

Die Kokospalme („cocos nucifera“) selbst wollen wir hier nur kurz streifen. Im Regelfall begegnen wir auf den Philippinen nur der klassischen hoch wachsenden Palmenvariante mit einer maximalen Höhe von 25 -30 Metern. Daneben gibt es in der jüngeren Gegenwart Hybrid- und Zwergvarianten wie den „Tall X Dwarf“, der nur etwa vier Meter hoch wird. Die Fruchtbildung setzt hier früher ein und kann  sich auf 150 – 180 Früchte pro Jahr belaufen. Die Setzlinge dieser Zwergvariante kosten ein Mehrfaches des klassischen Palmensetzlings und ihr Kaufpreis übersteigt oft die Investitionsmöglichkeiten kleinerer Farmer.

Die traditionelle Palmenart beginnt in der Regel ab dem fünften bis siebten Jahr Früchte zu tragen. Es gibt aber auch Palmen, die durchgängig unfruchtbar bleiben. 1989 wurde berichtet, dass mehr als  ein Viertel der Bäume auf den Philippinen über sechzig Jahre alt seien. Die „senilen“ Palmen bringen wenig oder keinen Fruchtertrag.(4).

Die Früchte sind für den Botaniker übrigens keine Nüsse, sondern Steinfrüchte wie die die Pfirsiche oder Kirschen. Gewicht und Anzahl der  eiförmigen Rohfrüchte schwanken stärker. Man geht von einem Normalgewicht von 1-2 kg aus. In der Regel produziert ein Baum 30 – 50 Nüsse pro Jahr. Bei exzellenten Bedingungen kann die Zahl der jährlichen Früchte auf etwa 100 steigen. Die Kokospalme trägt ganzjährig. Geerntet wird häufig alle 45 Tage oder achtmal im Jahr. Die Kokospalme, die bis zu neunzig Jahre alt werden kann, braucht relativ wenig Pflege – man nennt sie deshalb scherzhaft auch „Frucht des faulen Mannes“ („crop of lazy man“).

Nach der Blüte erreichen die Früchte nach etwa sechs Monate ihre volle Größe. Reif werden sie aber erst nach etwa einem Jahr. Nun können sie zu Boden fallen oder werden von mutigen Kletterern gepflückt. Meistens werden sie aber mit langen Stangen, an denen ein Messer befestigt ist, geerntet. In Thailand und Malaysia werden bei der Ernte der Früchte auch Affen eingesetzt.

Über den Schalenaufbau einer Kokosnuss informiert die nachfolgende Grafik.



Die Farbe der Rohfrucht („Exokarp“) ist zunächst grün und wird später bräunlich. Die eigentliche Nuss („Endosperm“)   macht nur 35 – 45 % des Gesamtgewichtes aus. Junge, noch unreife Früchte verfügen über einen Drittel bis einen Liter Fruchtwasser, das man als Durststiller gerne trinkt. Mit zunehmender Reife verringert sich das mitunter etwas trübe Fruchtwasser, das irrtümlichweise mitunter auch „Kokosmilch“ genannt wird. Die eigentliche Kokosnussmilch entsteht erst, wenn man das Kokosnussfleisch raspelt und dann vielleicht mit einem Tuch die süßliche Milch aus den Fleischraspeln herausdrückt. Verweisen wir auch noch  auf die „Augen“, die auch in den Legenden weiter unten angesprochen werden. An diesen Stellen ist die Schale dünner. Durch eine der drei Poren dringt ein neuer Pflanzkeimling.
 
Kopragewinnung

Als erstes wird man die rohe Frucht aufbrechen müssen, um die Faserschicht von der hölzernen Schale zu trennen. Diese kann manuell geschehen, indem man die Nuss gegen eine harte auf einem Holzbock befestigte Spitze treibt. Geübte Arbeiter können auf diese Weise etwa 2000 Nüsse täglich schälen. Mittlerweile gibt es aber auch schon Maschinen, die 2000 Nüsse in der Stunde schaffen.

Was kann man mit der Faserschicht („coconut coir“) machen? Die Fasern finden unter anderem Verwendung bei der Herstellung von Tür- und Frostschutzmatten, Schnüren und Seilen. Vor einigen Jahren wurde berichtet, dass einige deutsche Automobilwerke planen, den Faserstoff bei der Fertigung von Sitzpolstern einzusetzen. 

Aber noch sind wir noch nicht beim Fruchtfleisch – dem Ausgangsstoff der Kopra – angekommen. Im nachfolgenden geben wir nur eine von mehreren Methoden wieder, um eine Kokosnuss zu öffnen. Man schlägt zuerst mit einem Hammer und einem Schraubenzieher Löcher in die dunkleren Keimlöcher an der schmaleren Seite der Nuss und entnimmt das Kokoswasser. Danach klopft man mit der Rückseite eines Küchenmessers solange entlang einer gedachten Linie im unteren Drittel der Nuss, bis sich ein Riss bildet, den man dann weiter vergrößert.

Auch die harten Schalen lassen sich verwenden.  Die Hausfrau verwendet die halbierte Schale oft zum Polieren ihrer Böden. Zumeist dienen die Schalen jedoch als „Charcoal“, als Heizmaterial. Auch gewinnt man mehr und mehr Treibstoff aus ihnen. Nach dem „Cracking“  wird das Endoderm – das Nährgewebe – in kleinere Stücke geschnitten und getrocknet.. Verschiedene Wege der Trocknung bieten sich an. Die Trocknung in der Sonne ist langwieriger. Auch ist hier die Gefahr von Schimmel- und Insektenbefall gegeben. Das so gewonnene „weiße Kopra“ wird oft der „schwarzen Kopra“ vorgezogen. Letztere erhält man bei einer Trocknung über Feuer. Als dritter Weg bietet sich die maschinelle Lufttrocknung an. Mit Preisabschlägen muss man rechnen, wenn die getrocknete Kopra noch einen Feuchtigkeitsgehalt von zwanzig Prozent und mehr hat. Angestrebt wird ein Feuchtigkeitsgehalt von unter sechs Prozent, da man zum Beispiel Fäulnis und Schimmelbildung auf den Schiffspassagen vermeiden will.  

Ölgewinnung und -verwendung

Das aromastarke „Virgin Coconut Oil“ erhält man durch kalte Pressung des frischen Fruchtfleisches. Das Bioprodukt ist reich an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen. Es dient oft der Geschmacksverfeinerung und findet unter anderem in der Kosmetikbranche Verwendung.

Im Regelfall wird die Kopra, die jetzt etwa einen Fettanteil von etwa 70 % aufweist, in Fabriken weiterverarbeitet. Sie wird nochmals gewaschen, getrocknet, geschreddert, gekocht, raffinert, gebleicht, desodoriert und auch gehärtet. Hitze und Chemikalien kommen dabei zum Einsatz. Der ausgepresste Koprakuchen findet als Viehfutter Verwendung. Endprodukt ist ein Öl oder – sofern gehärtet – ein festes Kokosfett („Palmin“). Das feste Fett hat seinen Schmelzpunkt bei etwa 25 Grad, es spritzt wegen des geringen Wassergehaltes bei höheren Temperaturen kaum und ist länger haltbar.

Kokosnussfett setzt sich vorwiegend aus mittelkettigen Fettsäuren zusammen und weist zu 92 % ungesättigte Fettsäuren auf. Nur sieben Prozent des Öls sind einfach ungesättigt, ein Prozent mehrfach ungesättigt. Der hohe Anteil gesättigter Fettsäure hat zu Image- und Vermarktungsproblemen geführt. Man befürchtet(e), dass durch den hohen Anteil gesättigter Fettsäuren die Menge an „schlechtem“ LDL - Cholesterin beim Konsumenten ansteigt und zu Herz- und Gefäßerkrankungen führt. Der Disput hierüber hält noch an. Verteidiger des Kokosfetts verweisen darauf, dass das Kokosöl in Form der einfach gesättigten Laurinsäuren auch über „gutes“ HDL-Cholesterin verfügt und ein erhöhter negativer Cholesterinspiegel sich nicht zwangsläufig einstellen muss, sondern von individuellen Faktoren abhängig sei.

Kokosfett ist zunächst als Speisefett ein Nahrungsmittel und wird auch zur Herstellung von Margarine, Kuvertüren und Glasuren verwendet. Weniger bekannt ist, das es auch als Rohstoff in der fettsäurenbasierten Öl- und Glyzerinchemie dient. So fungiert das Öl unter anderem als Rohstoff bei der industriellen Produktion von Schmiermitteln, Biodiesel, Herbiziden, Detergentien, Seifen und Waschmitteln. Folgt man einem Beitrag von Elfrank Jadusale, dann überwiegt mit sechzig Prozent sogar die industriell- chemische Nutzung (5). 

Die spezielle Situation auf den Philippinen

Die Anbaufläche  hat sich mit ca. 3,3 Mio. Hektar in den letzten Jahren kaum vergrößert. Flächenmäßig dominiert auf den Philippinen der Reisanbau mit 4,5 Mio. Hektar. Beim Reis ist die Anbaufläche von 2007 auf 2009 um fünf Prozent gewachsen.
Die Produktivität der Kokosnussflächen auf den Philippinen ist – gemessen in kg pro Hektar – ist im internationalen Vergleich mit 4400 kg unterdurchschnittlich (2004). Die Produktionsmenge von 2007 – 2009 verzeichnet leichte Steigerungsraten und wird für das Jahr 2009 auf 15,7 Millionen Tonnen eingeschätzt.

Weit über die Hälfte der Kokosnussproduktion kam landesweit mit 59 % von der Insel Mindanao. Hier ist insbesondere die Davao Region mit einem Anteil von 17 %  zu benennen. Es folgt die Insel Luzon mit 23  %. Reisanbaugebiete auf Luzon sind insbesondere die Regionen von Calabarzon (9%) und Bicol (8%). Die Kokosnussregionen gehören zumeist zu den ärmsten Regionen der Philippinen.

Stärker schwankend war der durchschnittliche Pesobetrag, den der der Farmer für das Kilogramm Kopra erhielt:  2007: 17,7 Pesos  // 2008:  22,9 Pesos //  2009:  13,7 Pesos // Mitte August 2010:  leicht über 20 Pesos.

Die Philippinen erzielen durch den Export von Kokosnussprodukten nennenswerte Devisenerlöse. Exportiert wird die getrocknete Kopra und Öl. 2008 wurden.143.000 Tonnen Kopra vor allem in die USA exportiert, die Menge fiel 2009 auf 116.000 Tonnen.
Eine fallende Tendenz zeigt sich auch beim Export von Kokosnussöl. 2007 wurden noch 889.000 Tonnen, 2008 850.000 Tonnen und 2009 nur noch 833.000 Tonnen exportiert. Man hat dies insbesondere auf einen die durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Nachfragerückgang zurückgeführt. Lag der Weltmarktanteil 2006 noch bei 52 %, so sank er 2007 auf 43 %.  Noch sind die Philippinen die Weltmarktführer im Export von Kokosnussöl. Diese Spitzenposition wird aber zusehends von Indonesien, das bereits schon beim Palmölexport eine herausragende Stellung im Weltmarkt hat, bedroht.

Der Weltmarktpreis für Kokosnussöl ist im Verlauf des Jahres 2010 übrigens kräftig gestiegen (6).

Um die Ernteerträge zu steigern, müssten die philippinischen Farmer in die Lage versetzt werden, ihre alten Kokosnussbestände durch neue, junge (Hybrid-) Pflanzen zu ersetzten. Ein besseres Bewässerungssystem und der zumindest gelegentliche Einsatz von Dünger wäre gleichfalls zu wünschen. Aufgrund fehlender Bekämpfungsmittel fielen schon Millionen von Bäumen Pilz- und Virenerkrankungen zum Opfer. Der Virus Cadang-Cadang hat ganze Plantagenwälder langsam zum Absterben gebracht. Der schwarzen Nashornkäfer (Oryctes rhinoceros) frisst die Blüten und ist auch ein ausgemachter Schädling. Schließlich sind auch die Trocknungsverfahren oft nicht adäquat. 
  
Weltweite Konkurrenz anderer Pflanzenöle

Es soll weltweit über 1000 Pflanzen geben, aus denen man Öl herstellen kann. Das Kokosöl stößt also auf ein breites Konkurrenzumfeld. Und in der Tat rangiert es im Hinblick auf den Absatz wohl nicht zu den Spitzenreitern. Nach Wikipedia deckt das Kokosöl – trotz weltweiter Verdoppelung der Produktionsmenge seit den achtziger Jahren - gerade mal acht Prozent des weltweiten Verbrauchs.  Hier eine Auflistung der Spitzenreiter aus den Jahren 2008/9 -  in Millionen Tonnen - (7) : 

Palmöl (Frucht):   41,3   //  Sojaöl:  37,5 // Rapsöl:  18,2 // Sonnenblumenöl:  9,9 // Erdnussöl:   4,8 // Palmkernöl:   4,8 // Kokosnussöl:  3,5 // Olivenöl:  2,8     ………

Ein paar kurze Anmerkungen noch zu dieser Auflistung. Palmöl dominiert – auch wegen eines Preisvorteils - den weltweiten Markt bei Pflanzenölen. Nun darf man dieses Öl der Ölpalme (elacis guineendis) nicht verwechseln mit dem der Kokosnusspalme (cocos nucifera). Die Ölpalme ist eine andere Pflanzenart, die in Plantagen zu 85 % in Indonesien und Malaysia angebaut wird. Markant sind hier Fruchtstände, die bis zu 50 kg schwer sein können und mehrere Tausend Früchte haben können. Palmöl (46 % gesättigte Fettsäuren) wird aus dem Fruchtfleisch der Ölpalme, Palmkernöl (80 Prozent gesättigte Fettsäuren) aus den  Kernen der Ölpalme gewonnen.
Wer aus gesundheitlichen Gründen auf einen hohen Anteil einfach gesättigter  Fettsäuren Wert legt, der muss zum Olivenöl (73 %), Rapsöl (55 %), Erdnussöl (48 %) oder Sesamöl (10 %) greifen.

Die weltweiten Ölpreise steigen in letzter Zeit in breiter Front stärker an. Das ist u.a. auf die zunehmende Produktion von Biodiesel und Ethanol und eine verstärkte Nachfrage aus Indien und China und zurückzuführen.  

Legenden

Es wäre sehr verwunderlich, erschiene  die Kokosnusspalme - als  „tree of life“ – nicht auch in philippinischen  Legenden und Märchen. In der nachfolgenden Legende taucht sie schon in den Frühtagen der Schöpfung auf.

Gott Bathala und die Palme 

In Urzeiten  herrschten über das Universum lediglich drei Götter. Gott Bathala war für die damals noch öde Erde zuständig. Der Schlangengott Ulilang lebte in den Wolken. Vom geflügelten Gott Galang wird nur berichtet, dass er gerne reiste.  Die drei Götter lebten vor sich hin und wussten zunächst nichts voneinander.

Eines Tages trafen sich Bathala und der Schlangengott. Aber schon nach drei Tagen und Nächten kam es zu einem Machtkampf zwischen den beiden. Man einigte sich auf ein Duell, bei dem Bathala den Schlangengott tötete. Schnell verbrannte er dessen Überreste. Besser verlief das Zusammentreffen mit dem Flügelgott Galang. Die beiden wurden sogar Freunde und lebten jahrelang zusammen. Da aber wurde Galang sehr krank. Vor seinem Tod bat er Bathala, er möge ihn dort bestatten, wo er auch die Asche des Schlangengottes Ulilang  vergraben hatte. Bathala tat, wie ihm geheißen.

Aus dem Grab der beiden Götter wuchs danach ein hoher Baum mit einer großen runden Frucht – eine Kokosnusspalme. Bathala nahm die grüne Frucht vom Baum und schälte sie. Die harte Nuss erinnerte ihn an den Kopf des Flügelgottes Galang. Hatte sie nicht wie er zwei Augen, eine flache Nase und einen runden Mund? Und  wiesen die langen Palmblätter nicht auf die Flügel des befreundeten Gottes Galang hin? Der harte, etwas unschöne Stamm der Palme kam ihm wie der Schlangenkörper des getöteten Rivalen Ulilang vor.

Die Kokosnusspalme war Bathala so bedeutsam, dass er befand, jetzt könne er mit der Schöpfung auf Erden beginnen. Er schuf die Vegetation, Tiere und die ersten Menschen. Für letztere war mit dem „Tree of Heaven“ nunmehr gesorgt. Aus dem Stamm der Palme baute Bathala ein erstes Haus. Fleisch und Saft dienten der Ernährung der Menschen. Auch die Blätter und Blattfasern konnte man nutzvoll verwenden.  

Kopfgeburten

Ein anderes Märchen berichtet von einem reichen Ehepaar auf Negros, das einen großen Garten mit Bäumen und  quengelnde Tochter hatte. Eines Tages bittet das Kind um eine Kokosnuss. Man beachte, sie benennt eine Frucht, die es am Ort noch nicht gab. Doch Kokosnüsse waren nicht vorhanden. Man bietet dem Kind ersatzweise diese und jene Frucht an. Doch die kleine Göre leibt stur und hartnäckig. Da ruft die Mütter ärgerlich aus: „Soll doch eine Kokosnuss auf deinem Kopf wachsen!“. Der Himmel verdunkelte sich,  ein starker Wind kam auf und das Mädchen war urplötzlich verschwunden.

Am nächsten Morgen entdeckte man an der Stelle, an der das Mädchen verschwunden war, eine Pflanze. Die Eltern pflegten und hegten die Pflanze, die dann zu einem Baum mit runden Früchten heranwuchs. Später, als die Menschen die Frucht aßen,  assoziierten sie das Kokosnussfleisch immer wieder mit dem Körper des Mädchens. Und das Kokoswasser erinnerte sie an die Tränen, die beiden Löcher and die Augenhöhlen des Mädchens.
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Das letzte, hier wiedergegebene Märchen handelt von der Sultanstochter Putri auf Mindanao.  Sie war so schön und charmant, dass die Zahl ihrer Verehrer nicht abreißen wollte. Der Vater drängte seine einzige Tochter zur Heirat, er wollte nicht ohne männlichen Nachkommen sterben. Schon war ein Ausscheidungswettbewerb unter den Kandidaten angesetzt.

Da begegnet Putri im Sultansgarten dem jungen und schönen Gärtner Wata-Mama.  Der Gärtner gesteht ihr seine Liebe und gesteht ihr, dass auch er von königlicher Abstammung sei. Seine Eltern seinen jedoch schon in frühen Kindheitstagen getötet worden. Die Prinzessin ist gerührt und erwidert die Liebe. Doch dann kommt ein Bösewicht in Gestalt eines eifersüchtigen Generals. Er schlägt Wata-Mama nieder und köpft ihn danach.  Auch in diesem Märchen wächst an der Stelle, wo der Kopf begraben wurde, zunächst eine Pflanze, später eine Palme, die bis ans Fenster der Prinzessin reicht und deren runde Frucht an den Kopf des getöteten Liebhabers gemahnt. 

© Wolfgang Bethge, in 2010 

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(1)   Biofuels Database East Asia,in:
http://www.asiabiomass.jp/bioifuelDB/philippines/contents003.htm
(2)   Philippine Coconut Industy Situationer2, in:
http://blog.agriculture.ph/tag/philippine-coconut-industry

(3)   Menchie Flores-Obanil, Agrarian Reform in Coconut Area Vital to the Devolpment http://www.centrosaka.org/agrarian_reform/issues_campaigns/agri_coco.html

(4)   Moog / Faylon, Integrated Forage – Livestock Systems under Coconuts in the Philippines, in: http://aciar.gov.au/system/files/node/304/pr32chapter31.pdf

(5)   Elfrank T. Kadusale, Coconut – A tree of Life, in: http://www.dipologcity.com/coconutinsert.htm

(6)   Daten in diesem Kapitel vorwiegend aus: Bureau of Agricultural Statistics Philipines, Selected Statistics on Agriculture 2010, http://countrystat.bas.gov.ph/documents/ssa_2010.pdf

(7)   Vegetable fats and oils, in: http://en.wikipedia.org/wiki/Vegetable_fats_and_oils