Sonntag, 27. Februar 2011
Schwindende philippinische Meersalzgärten
Der Salzgehalt von Meerwasser liegt im groben Durchschnitt bei 3,5 %. Das bedeutet, dass ein Liter Meerwasser circa 33,3 Gramm Salz enthält. Je nach dem Umfang von Süßwasserzuflüssen und Verdunstungsgrad variiert der oben angegebene Prozentsatz. Die Ostsee hat zum Beispiel nur einen Salzgehalt von 0,2 – 2 %, beim Toten Meer sollen es 28 % sein. In unserem Zusammenhang interessiert der Pazifik mit 3,2 – 3,7 Prozent, d. h., auch auf den Philippinen sind günstige natürliche Voraussetzungen für eine Meersalzgewinnung gegeben.
Fügen wir hier noch kurz an, dass man insbesondere Stein- und Meersalz unterscheidet. Das überwiegend vorkommende Steinsalz wird bergmännisch und trocken abgebaut. Es ist auch ein Meersalz, das vor Urzeiten durch die Austrocknung von Meeren entstand. In der Zusammensetzung gibt es noch einen kleinen Unterschied. Das raffinierte Steinsalz enthält bis zu 98 % Natriumchlorid. Beim Meersalz liegt der Anteil des NaCl mit 96–97 % niedriger. Doch nun näherhin zur Seesalzproduktion auf den Philippinen.
Meersalzernte
Salzgärten wird man nicht in der Manila-Bay anlegen, denn hier dürfte man kaum ein reines, von Schadstoffen unbelastetem Meerwasser vorfinden. Das Land hat aber sowohl im Norden wie im Süden noch tadellose Meeresabschnitte mit geringer Schadstoffbelastung, die für die Salzgewinnung geeignet sind. Insbesondere in den Provinzen Pangasinan, Bulacan und Mindoro Occidental wurde und wird noch Meersalz geerntet. In den Namen der Provinz Pangasinan ist das Wort für Salz – „asin“ ausdrücklich eingegangen, die Provinz ist das „Land des Salzes“.
Die für die Salzgewinnung unter Sonneneinstrahlung notwendigen Verdunstungs- und Konzentrationsprozesse sind in der Regenzeit nicht möglich. Deshalb findet die Salzgewinnung in der Regel nur in der Zeit von Dezember bis Mai statt. Danach werden die Salzbetten geflutet und streckenweise in Teiche für die Aufzucht von Fischen und Shrimps umgewandelt.
Man legt zunächst größere flache Seen oder Becken an. Über Wochen und Monate verdunstet dann das in diese „Salzgärten“ eingelassene Meerwasser unter der Einwirkung von Sonnenenergie und feuchtigkeitsaufnehmenden Winden. Es bildet sich eine Salzlake, die durch weitere Becken zur weiteren Konzentration geleitet werden kann. Die Becken können durch salzliebende Bakterien eine rote Färbung aufweisen. Jetzt kann man den Salzbrei auch schon versuchen, von Unreinheiten zu säubern. Das Restwasser wird abgelassen. Die letzten rechteckigen kleineren Kristallisationsbecken sind flach und häufig mit Plastiksäcken oder -planen ausgeschlagen. Hier findet die abschließende harte Arbeit der Salzernte statt. Der Salzbauer oder seine Helfer werden vielleicht versuchen mit einer Schaumkelle die auf der Oberfläche schwimmende feinblättrige Salzblüte („fleur de sel“) abzuschöpfen. Dieses Salz ist besonders kostbar und teuer. Das am Boden ausgefällte Salz wird oft als das „graue Salz“ („sel gris“) bezeichnet. Es wird mit langen Brettrechen vom Boden der Bahnen abgezogen und in Haufen am Rand der Felder zur weiteren Trocknung aufgehäuft und später in Körben und Säcken gesammelt. Mit neuem in die Becken eingeleitetem Meerwasser kann dann eine weitere Ernte beginnen.
Geschmack
Die Frage, ob Seesalz anders oder sogar besser als das normale Steinsalz schmeckt, ist fast schon eine Glaubensfrage. Beide Salzarten sind in Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung annähernd gleich. Aber eben nur annähernd – der Anteil an Natriumchlorid (NaCl) beträgt beim Steinsalz etwa 99 %. Steinsalz ist härter und „salziger“. Chemisch weist das feuchtere, weniger gereinigte Seesalz unter anderem durchschnittlich 0,5 % Calciumsulfat, 0,3 % Magnesiumchlorid, 0,2 % Magnesiumsulfat (Bittersalz) und 0,1 % Kaliumchlorid auf. Es ist zweifelhaft, ob diese geringe Differenz im Mineralstoffgehalt – insbesondere dann, wenn Salz in Speisen weiter verarbeitet wird – unterschiedliche Geschmackserlebnisse zulässt. Vereinzelt gibt es sogar Stimmen, die behaupten, das Meersalz sei wegen seiner Mineralien und seiner Mikrogramm Vitamine A, B und C gesundheitsförderlicher.
Eher vorstellbar ist, dass Meersalz aufgrund seiner körnigen, manchmal länglich-hohlen oder auch pyramidenförmigen Struktur (Textur) zu anderen, „knackigen“ Gaumenerlebnissen führt. Ob Meersalz aufgrund der anderen Auflösung im Mund wirklich einen „bigger burst of salt to the tongue“ (1) auslöst, kann man bezweifeln. Die Meersalzhändler und Salzgourmands haben – wenngleich nicht auf dem hohen Entwicklungsniveau der Weinwinzer – gleichfalls eine Werbeterminologie entwickelt, wenn sie auf der Suche nach einzigartigen Produktattributen zum Beispiel von „ausgereiften“, „erdigen“, “sanften“ und „ursprünglichen“ Geschmacksnuancen ihres Salzes, „dem weißen Gold“, sprechen. Deutlichere Geschmacksunterschiede zum Steinsalz bieten vermutlich nur die Würz- und Räuchersalze, von denen es zu höheren Preisen eine ganze Reihe gibt.
Rückläufige wirtschaftliche Entwicklung
Die Salzgewinnung aus Meerwasser war auf den Philippinen ein kleinbäuerliches Gewerbe mit jahrhundertelanger Tradition. Hohe Marktpreise für Konsumsalz und industrielles Salz führten In den späten neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem regelrechten Produktionsboom auch beim Meersalz. Selbst der Multimillionär Andrew Tan stieg in das Geschäft der Meersalzproduktion ein und beschäftigte auf seinen rasch installierten Salzfarmen zahlreiche Caretaker.
Doch dann wurde ein neues GATT-Abkommen wirksam. Es erlaubte Ländern wie China und Indien Salz in die Philippinen zu exportieren und diese Länder produzierten billiger und mit besserer Qualität. Die Folge war ein rasanter Verfall der Salzpreise. Derzeit kostet ein 35kg-Sack Salz im Großhandel nur 200 Pesos, das Kilogramm Salz im Einzelhandel lediglich etwa 10 Pesos. Der niedrige Preis gibt also wenig Anreiz, in die Salzproduktion einzusteigen. Erschwerend kam noch hinzu, dass die philippinische Gesetzgebung eine Bestimmung verabschiedet hat, wonach das meiste Konsumsalz aus gesundheitlichen Gründen (Kropfbekämpfung) zu jodieren ist. Seesalz verfügt leider nicht in ausreichender Menge über Jud. Den kleineren Salzfarmen war und ist die Technik der Jodierung jedoch kaum zugänglich. So schlossen von den 52 in den neunziger Jahren in Bulacan vorhandenen Salzfarmen bis zum Jahre 2003 allein 32 Salzfarmen.17 Farmen wurden abgebaut (2). Proteste gegen die unerwünschten Salzimporte halfen nicht.
Es gibt kaum Zahlen über die derzeitige philippinische Salzproduktion. Sie sind nicht differenziert nach Salzarten und zudem noch widersprüchlich. Am vertrauenswürdigsten erscheint eine amerikanische Quelle, wonach die philippinische Seesalzproduktion 2007 bei 438.000 Tonnen lag (3). Bezüglich der philippinischen Salzimporte ist auch keine genauere Statistik abgreifbar – es gibt lediglich Hinweise, die eine beachtliche Importmenge erahnen lassen. Aus Indien wurden 2008 400.000 Tonnen Salz importiert (4). Ein Salzimporteur äußerte in einem Interview, dass etwa 80 bis 85 Prozent des in Nord-Mindanao vertriebenen Salzes importiert seien (5). Selbst die derzeit importierte Salzmenge reicht nicht aus. Das liegt nicht am Speisesalzbedarf der Filipinos. Der liegt zwischen 7 und 12 Gramm pro Tag und damit beachtlich über der von der von Ernährungsspezialisten Tagesmenge von knapp sechs Gramm (6). Man hat den hohen Salzkonsum der Filipinos mit dem häufigen Vorkommen von Bluthochdruck in Verbindung gebracht. Der Salzbedarf könnte auch noch aus einem anderen Grund steigen. Man hat mittlerweile entdeckt, dass Salz auch ein wichtiger, zudem preisgünstiger Dünger für Kokosnusspalmen sein kann (7). Das mag überraschen. Man sollte sich in diesem Zusammenhang aber daran erinnern, dass Kokosnusspalmen oft unmittelbar am Meeresstrand beziehungsweise auf Inseln ohne Süßwasservorkommen wachsen.
Luxussalz als Rettung?
So ganz hoffnungslos ist die Lage jedoch auch nicht, denn die internationale Spitzengastronomie und die Salzconnaisseure beginnen zunehmend das hochwertige philippinische Seesalz zu schätzen. „Yet unknown to most, the Philippine islands produces some of the highest quality natural sea salts available in the market” .äußert ein Kenner der Salzszene (8) . Die Preise für das rötliche “Pink Pangasinan Sea Salt“ sind im wörtlichen Sinne gesalzen. Die amerikanische Importfirma „LeSanctuare“ verlangt zum Beispiel für ein Kilogramm dieses rosa gefärbten Salzes stolze 46,20 $ (9). Für den Fall, dass sie nicht soviel Geld haben, empfiehlt sich vielleicht eine Kostprobe. Die Firma The Meadow bietet einen „Taster“ „Pangasinanan Star fleur de sel“ für nur 8,25 $ an (10). Welche Menge dürfen sie für diesen Preis erwarten? Es sind nur 1,2 ounces, das entspricht etwa 34 Gramm. Da Salz Wasser zieht, empfehlen wir eine andere Wertanlage.
Warum ist das Meer überhaupt salzig?
Den Ursprung des Meersalzes in Gesteinsverwitterungen zu suchen, ist zwar richtig, aber die kurze Feststellung ist doch sehr nüchtern. Ein philippinisches Märchen bietet eine weitaus fantasievollere, insbesondere Kinder ansprechende Begründung.
In grauer Vorzeit schmeckte das Meerwasser noch wie normales Regenwasser -etwas langweilig und fad. Glücklicherweise kannten aber die Eingeborenen einen freundlich gesonnenen Riesen, der auf einer kleineren, abgelegenen Insel wohnte. Die Insel hatte eine Höhle und barg einen Salzschatz. Regelmäßig kamen deshalb die Bewohner zur Insel und holten sich etwas von dem kostbaren Salz, um ihren Gerichten die richtige Würze zu geben.
Eines Tages ging den Bewohnern jedoch das Salz aus. Die Essen blieben geschmacklos, die Verzweiflung war groß. Eine Bootspassage erschien unmöglich, da die See sehr rau war. Da hatte ein Kind den glücklichen Einfall – man möge den Riesen doch bitten, sein langes Bein auszustrecken. Auf dem ausgestreckten Bein könnten dann die Bewohner zur Insel des Riesen laufen.
Der Riese stimmte zu und die Bewohner liefen mit ihren leeren Salzsäcken auf dem ausgestrecktem Bein des Riesen zur Insel. Doch wie es der Zufall will – der ausgestreckte Fuß des Riesen landete auf einem Ameisenhügel und die dort lebenden roten Ameisen setzten dem Riesen heftig zu. Es fiel ihm schwer, das Bein ruhig zu halte, deshalb bat er die Bewohner inständig, ihren Salztransport schneller abzuwickeln. Als die Bewohner die Insel erreichten, konnte der Riese das juckende Bein zurückziehen. Die Bewohner wunderten sich nur – wie konnten dem so großer Riesen die kleinen Tierchen so zur Qual werden?
Die Bewohner erhielten ihr Salz und machten sich auf den Rückweg. Wiederum bissen die Ameisen in das geschwollene Bein des wimmernden Riesen, der wiederum zur Eile drängte. Aber die Bewohner waren sorglos, schwatzend und in aller Ruhe trotteten sie auf dem Bein des Riesen in Richtung Heimat. Aber noch bevor die Bewohner das Land erreichen konnten, schrie der Riese auf und stieß sein abermals gebissene Bein mit aller Wucht in das Meer. Glücklichweise konnte der freundliche Riese die Bewohner vorm Ertrinken retten – aber das Salz war bei dem Vorfall ins Meer gefallen und löste sich dort auf. Aber es verschwand nicht, denn das Meer blieb von diesem Tag an salzig.
© Wolfgang Bethge, 2011
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(1) Pangasinan Rock - Sea Salts, http://www.acnseasalts.com/products.php
(2) Dabet Castañeda, Bulacan’s Salt Farms Melt Down, September 2003, in http://bulatlat.com/news/3-34/3-34-saltfarms.html
(3) U.S. Department of the Interior U.S. Geological Survey 2007 Minerals Yearbook- Philippines, in: http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/country/2007/myb3-2007-rp.pdf
(4) http://www.pr-inside.com/salt-seen-as-best-fertilizer-for-r829883.htm
(5) http://www.sunstar.com.ph/cagayan-de-oro/northern-mindanao-short-salt
(6) http://www.philstar.com/Article.aspx?articleId=634667&publicationSubCategoryId=80
(7) http://philippines-living.com/sites/philippines-living.com/files/user-files/admin/salt-coconut-fertilizer.pdf
(8) http://liveinthephilippines.com/content/2009/12/5-filipino-ingredients-i-love-to-use-in-my-cooking/
(9)http://www.le-sanctuaire.com/mm5/merchant.mvc?Screen=PROD&Store_Code=ls&Product_Code=SSTPangaPink&Category_Code=SSTSalts
(10)http://www.atthemeadow.com/shop/index.php?main_page=product_info&products_id=349:0c594db4fb97c116a712092fa06d504f
Mittwoch, 9. Februar 2011
Der verblichene Götterhimmel der frühen Filipinos
Vor Ankunft der spanischen Kolonisatoren bestimmte ein buntes und vielgestaltiges Götterpantheon das Leben der Inselbewohner. Höhere Mächte, wohlwollende aber auch bösartige übernatürliche Wesen wirkten nach den Vorstellungen der Eingeborenen auf die elementaren Erlebnisse von Geburt und Tod, Eheglück, Naturkatastrophen sowie gute Ernten und Missernten ein.
Es wird öfters behauptet, dass die in vorkolonialer Zeit verehrten Götter hinduistische oder buddhistische Wurzeln gehabt hätten. Nähere Hinweise auf Querverbindungen sucht man jedoch zumeist vergeblich. Der Animismus – der Glaube an eine beseelte, von Geistern bestimmte Natur – war wohl vorherrschend. Dieser Glaube wurde weitgehend mündlich tradiert. Das wenige überlieferte Schrifttum liefert keine ausgeklügelte Metaphysik oder einen an die griechische Mythologie erinnernden Handlungsreichtum. Breitere Textausführungen finden sich zumeist nur zu den an der Schöpfung des Universums mitwirkenden Hauptgöttern. Von vielen Nebengöttern hingegen kennt man oft nur den Namen und ihre Zuständigkeit.
Die späteren spanischen Konquistadoren und hier insbesondere die ihnen folgenden geistlichen Herren haben die wenigen schriftlich niedergelegten vorkoloniale Glaubenszeugnisse weitgehend vernichtet. Für sie galt es, die Eingeborenen – wenn nötig, auch mit Zwangsumsiedlungen – „unter die Glocken zu bringen“. Die Außendienstvertreter des Pontifex Maximus mussten im Rahmen der ihnen aufgetragenen Heidenmission vermutlich erst ein Sündenbewusstsein wachrufen und entwickeln, um es dann wieder mit kirchlichen Mitteln zu kurieren. Man könnte ihr Handeln auch unter das Motto stellen: „Lehre die Sünde, um dann mit ihr zu handeln“.
Die zum Seelenheil geschickten Langröcke propagierten einen relativ abstrakten, sinnenfernen Gott, der nicht wie der Hauptgott der Tagologen – Bathala – und andere Götter auch menschliche Züge trug. Immerhin erleichterte der in weiten Landesteilen anzutreffende Glaube an einen Hauptgott die christliche Missionierung. Man brauchte ihn im Prinzip nur auszutauschen. Aber die sonst anzutreffende Vielgötterei, „der verschwenderische Aberglaub an Stein, Schroffen, Felsen, Klippen, Landspitzen“ (Collins (1)) war den Missionaren sicherlich ein Ärgernis, das man auszuräumen versuchte. Natürlich bot es sich auch an, die relativ abstrakte Botschaft mit einem opulenten Verkündigungsritus, mit Kruzifixen, Rosenkränzen und Heiligenbildern optisch zu stützen.
Es sind noch ein paar Anmerkungen zum nachfolgenden Überblick zu machen. Der Artikel spricht zum einen nicht die höheren Schöpfungsgötter (wie Bathala, Maguaya oder die Seegöttin Amin Sinayaan) an, zum anderen klammert er auch die „lower gods“ oder Spukgestalten aus - wie zum Beispiel die Riesenechse Buwaya, den Pferdegott Tikbalnang, den bärtigen Baumbewohner Kapre oder die verführerischen Elfen. Über letztere Gestalten der philippinischen Mythologie wurde an anderer Stelle berichtet (2) (3).
Weiterhin könnte der falsche Eindruck entstehen, dass die damaligen Eingeborenen von der Vielzahl höherer und niedriger Götter quasi umzingelt gewesen wären. Dem ist nicht so. Unser Beitrag sammelt nur die Vielzahl erwähnter Götter aus allen Landesteilen, dem Norden des Landes, den Visayas, Mindanaos und Palawans. Nur aufgrund dieser Zusammenstellung ergibt sich der Eindruck der Überfülle. Der weitgehend ortsgebundene Frühfilipino kannte vermutlich nur wenige Götter.
Fangen wir mit Göttern und Göttinnen an, die mit Naturerscheinungen in Verbindung gebracht werden. Auf Panay verehrte man Alusina, die Göttin der goldenen Morgenröte. Für Wind und Regen kamen je nach Region verschiedene Gottheiten in Betracht. Die Tagalesen sahen die launenhafte Göttin Anitun Tabi als Urheberin von Wind und Regen an. Auf Panay meinte man, der Regen seien die Tränen des trauernden Gottes Tungkung Langit. Dieser hatte im Zorn seine eifersüchtige Frau aus den himmlischen Gefilden verstoßen - ein Schritt, der ihm in seiner nun einsetzenden Einsamkeit sehr leidtat. Immer wenn er danach an seine Frau dachte, musste er weinen und es regnete auf der Erde.
Bicolaner machten für Donner und Überflutungen den Gott Onos verantwortlich. In der Visayaregion glaubte man an die Vulkangöttin Lalahon. Um sie zu besänftigen, opferte man ihr zunächst Jungfrauen. Später – der himmlischen Jungfrau sei Dank – reichten zu ihrer Besänftigung Opferfeuer aus. - Im Berg Mount Mayon saß alten Berichten von Bicol zufolge der Gott Gugurang. Er wachte über das Wohlergehen der Bevölkerung. Sah er diese jedoch vom rechten Weg abkommen, wurde er zornig und spie zur Warnung rotglühende Lava und Asche aus. Spezielle Priesterinnen mussten ihn mit Opfergaben beruhigen. Merken wir eher am Rande noch an, dass man in Visaya auch einen Gott des Regenbogens verehrte. Der Stamm der Bataks auf der Insel Palawan kannte sogar einen Gott der kleinen Steine.
Wenden wir uns Göttern zu, die mit der Familie, dem Haushalt und dem Haus in Beziehung stehen. Das Problem nachlassender männlicher Spannkraft gab es offenbar schon zu Urzeiten. Natürliche Aphrodisiaka waren wohl nicht immer greifbar. Wie gut, dass sich in diesem Fall Frauen des Stammes der Bagobo auf Mindanao an die Göttin Malimbung wenden konnten. Diese Göttin soll über die Gabe verfügt haben, die sexuellen Gelüste der Männer zu steigern. Was aber, wenn der Beischlaf zu keiner Nachkommenschaft führen sollte? Die Ifugao wandten sich in dieser Situation an den Gott Komiwa. Er konnte angeblich das Sperma im Leib der Frau so verrühren, dass es zu keiner Empfängnis kam.
Nicht jede Beziehung ist erwünscht. Die Tagologen konnten dann den Gott Manisalat bemühen. Er verfügte über die Gabe, starke Animositäten unter Paaren zu wecken, so dass es nicht zu sexuellen Kontakten kam. Manisalat gilt auch als Gott der zerbrochenen Familien. Aber es gab auch Hoffnung. Ein Gebet zur Göttin Dian Masalanta (späterer Name: Maria Makiling) konnte wieder alles zum Besseren wenden. Sie, deren Bruder Apolake eigenartigerweise ein Kriegsgott war, wirkte bei den Tagalogen als Göttin der Liebe, Schwangerschaft, Kindsgeburt und des Friedens. Und wenn sie Segen für das Haus stiftete, war vielleicht auch der Gott der Musik Pasipo nicht fern.
Das Hausvieh wurde von der Göttin Idiyanale geschützt. In der Provinz Bukidnon standen die Wasserbüffel und Pferde unter der Obhut des Gottes Pamahindi. Die Ibaloy im nördlichen Luzon kannten sogar eine Göttin der Schweine. Vermutlich brauchte sich die Göttin Anagolay über Zuspruch nicht beklagen. An sie wandte man sich, wenn Dinge verloren gingen.
Im und mit dem Haus kann mancherlei passieren. Bei dem Stamm der Isneg auf Luzon stand der Gott Darupaypay im Verdacht, den Reis zu verschlingen, noch ehe er in die große Kornkammer gebracht war. Ein Haus kann brennen. Die erste Reaktion wäre natürlich, es schnell zu löschen. Nach einer Sage der Tagolog-Region sollte man dies jedoch möglichst unterlassen. Das Feuer könnte auch der Gott Mankukulam unterm Haus gelegt haben. Die Sage will es nun, dass denjenigen, der das Feuer sofort löscht, der Tod ereilt.
Bauern, Fischer, Jäger und Krieger hatten jeweils ihre eigenen Schutzgötter. Erwähnt sei hier nur die hermaphroditische Fruchtbarkeitsgöttin der Tagalogen Lakampati. Man rief sie - die Göttin der kultivierten Felder - insbesondere bei Hungersnöten an. In der spanischen Zeit nimmt sie jedoch dämonische Züge an. Von den Tagologen wurde auch die Erntegöttin Idinale bemüht. Man brachte ihr eine Schüssel Reis an Vollmondnächten dar. In Visayas musste man die Göttin Lalahon mit Opfergaben besänftigen, damit nicht ihre Heuschreckenschwärme die Ernte vernichteten. - Mangaragan war der Gott des Krieges und Ginton war bei dem Stamm der T´boli der für die Metallverarbeitung zuständige Gott.
Wir kommen auf den Themenkreis Krankheit und Tod zu sprechen. Der Stamm, der T´boli kannte allein vier Götter, an die man sich wenden konnte, wenn einen das Fieber, Erkältungen, Kopfschmerzen oder Hauterkrankungen plagten. In Visayas waren es der Vogelgott Bulalakaw oder auch kapriziöse Gott Makaptan, der Krankheiten nur aus dem Grund brachte, weil er in seiner Himmelshöhe nie ein Gericht oder Getränk von Menschen bekommen hatte. Die Göttin Linga war bei den Tagalogen eine echte Heilgöttin. Diese durfte aber keinesfalls verwechselt werden mit der freundlich auftretenden aber hinterhältigen Göttin Manggagaway. Sie gab sich landauf landab als Heilerin aus. Doch statt Krankheiten zu kurieren, übertrug sie diese.
Bei Todesfällen haben natürlich auch die Götter ihre Hand im Spiel. Nach einer Legende der Bagobo bestimmt die Unterweltgöttin Mebuyan den Tod. Immer wenn sie einen Zitronenbaum in ihrem Reich schüttelt, stirbt ein Mensch. Ist die heruntergefallene Frucht noch grün, stirbt ein junger Mensch. Ist sie schon reif, wird ein älterer Mensch ins Reich der Toten gerufen. – In Visaya ist es der Gott Magyan der die Seelen der Toten in seinem Boot Balanday ins Höllenreich fährt. Nach den Glaubensvorstellungen der Bataks gehen die Seelen der Toten zunächst in den jenseitigen Ort Basad ein. Hier erfahren sie vom Totengott Angoro, ob sie in den Himmel Lampanag oder ob sie in Basad verbleiben. Hier erwartete sie aber später nur Feuer und siedend heißes Wasser.
Blenden wir noch kurz Gottheiten ein, die durch ihre äußere Erscheinungsweise auffielen. Man kann zum Beispiel auch durch Schönheit auffallen. In Visaya rief man die Göttin Dal´Iang an, wenn sich bei einer Person Schönheit nicht zeigen wollte. In dieser Region kannte man auch die vieläugige Göttin Dalikamata. Sie konnte Augenkrankheiten heilen. Über nur ein Auge verfügte die Mondgöttin Mayari. Der Windgott Paros und die Seegöttin Dagat der Bicolaner hatten zwei Söhne, deren Körper ganz aus Gold beziehungsweise Kupfer war. Die Tochter Bitoon hatte einen silbernen Körper. Der Körper der Unterweltgöttin Mebuyan war nach der Legende der Bagobo nicht nur hässlich, er war auch ganz mit Warzen bedeckt. Mit den Warzen pflegte sie – wie auch immer - die in ihrer Unterwelt befindlichen toten Babys.
Heute sind die hier vorgestellten Götter weniger bekannt. Eine Ausnahme dürfte der Schöpfergott Bathala bilden, dem die Kinder oft noch in ihren Schulbüchern begegnen. Untergründig ist der Animismus aber weiterhin präsent. Das belegt der vielfach noch anzutreffende, weitgehend irrationale Geisterglaube im Land. Wer zum Beispiel hat nicht schon von Brunnengeistern gehört?
© Wolfgang Bethge, 2011
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(1) Allerhand so Lehr- als Geist-reiche Brieff, Schrifften und Reise-Beschreibungen, welche von denen Missionariis der Gesellschaft Jesu aus beyden Indien, und anderen über Meer gelegenen Ländern, Meistentheils von 1730 bis 1740 in Europa angelanget seynd. Aus hand-schriftlichen Urkunden und anderen bewehrten Nachrichten zusammengetragen von Pedro Probst, einem Priester derselbigen Gesellschaft“ , S. 55 – Vgl.: "Das Brot deren Indianer ist von Reiß" - Beschreibung der Philippinen von 1663, in: http://bethge.freepage.de/ kropff.htm
(2) Sonne, Mond und Sterne – Eine Exkursion in die philippinische Mythologie, in: http://bethge.freepage.de/sonnemond.htm
(3) Wolfgang Bethge, Creatures of Midnight – Philippinische Spuk- und Schreckensgestalten, in: http://bethge.freepage.de/creatures3.htm
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