Dienstag, 4. Oktober 2011

Der philippinische Fussball vor erfolgreicher Kehrtwende?

Der Fussball auf den Philippinen war in den in den letzten neunzig Jahren fast nicht existent. Er war nur eine fast bedeutungslose Randsportart, die insbesondere an den Universitäten ab und an gespielt wurde.

Historisch gute Startposition

Die Erfolgsperspektiven für den Fussball auf den Philippinen waren historisch zunächst recht günstig. Das Ballspiel Sipa wurde schon seit Jahrhunderten im Land ausgeübt. Es ist eine Art Volleyballspiel und dem Fußball in dem Punkt ähnlich, als der Rattanball nicht mit der Hand gespielt werden darf. Um die Jahrhundertwende war das Land sogar in Asien Pionier in Sachen Fussball. Es waren die Philippinen, die 1913 die erste inoffizielle asiatische Meisterschaft ausrichteten und dabei China mit 2.1 bezwangen. Es folgte der nächste Paukenschlag, als Japan 1917 mit 2:15 Toren besiegt wurde. Der Sieger- mannschaft gehörte auch Paulino Alcantara an, auf den noch heute gerne verwiesen wird. Alcantara wurde 1896 in Iloilo geboren, spielte kurzfristig in der philippinischen Nationalmannschaft und machte dann seine Karriere als Spieler und Direktor beim FC Barcelona.

Fall in die Bedeutungslosigkeit

Mit den Amerikanern als neue Kolonialmacht verlor der Fussball dann seine Vorrangstellung an den Basketball und verkümmerte lange Zeit in Lethargie. Es gab in den nächsten Jahrzehnten keine größeren nennenswerten Erfolge, weder im AFC Asian Cup oder gar im FIFA World Cup. Der Tiefpunkt war 2006 erreicht, als die philippinische Nationalmannschaft auf Rangplatz 195 der FIFA-Liste rutschte. Für das mitunter etwas gallige Fussballmagazin Spox.com waren Die Philippinen zum damaligen Zeitpunkt „nicht grundlos die schlechteste Fußballnation der Welt“, obwohl es damals auch Mannschaften gab, die noch tiefer plaziert waren(1). Es erübrigt sich deshalb weitgehend, über die drittklassigen Spiele der Nationalmannschaft vor 2011 zu berichten. Die „Azkals“ - das ist der Spitzname der Nationalmannschaft, der übersetzt „Strassenhunde“ bedeutet – waren mehr oder weniger nur kleine Fifis, die fast aussichtslos hinter dem Ball hinterher hechelten.

Die Dominanz des Basketballs als ein wichtiger Grund für das Zurückbleiben

Fragen wir nach möglichen Gründen des Nioedergangs und beleuchten wir in diesem Zusammenhang zunächst die Rolle, die der Basketball auf den Philippinen spielt. Basketball ist auch heute noch Spitzensport Nummer 1, unbeschadet der Tatsache, dass Filipinos eher kleinwüchsig sind und der über drei Meter hohe Einwurfkorb für sie vermutlich mehr Kraftanstrengung bedeutet. Kein Dorf, kein besser gestelltes Haus, das nicht ein kleines Spielfeld mit Einwurfkörben hätte. Bleiben wir noch kurz bei der Konkurrenzsituation und fügen wir an, dass das Basketballspiel sicherlich aktionsreicher ist und die Ergebnisse sich schneller einstellen. Demgegenüber kann das torarme Fussballspiel über längere Strecken zum Beispiel bei Fehl- und Rückpässen langweilig wirken. Privaten Fernsehstationen, die auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, dürfte das Basketballspiel zudem mehr entgegenkommen. Die häufigeren Pausen beim Basketballspiel laden zu Werbeeinblendungen förmlich ein. Sicher ist die traditionelle Vormacht des Basketballspiels auf den Philippinen auch auf die Medienpräsenz dieser Ballsportart zurückzuführen. Will der Fussball auf den Philippinen ein breiteres Publikum gewinnen, muss er erst die Medienvormacht des Basketballs brechen.

Unzureichende Basisarbeit und infrastrukturelle Defizite

Um den Fussball auf ein international vergleichbares Niveau zu heben, muss noch außerordentlich viel Basisarbeit geleistet werden. Für die ärmere Bevölkerung sind Fussballschuhe und Trikots in der Regel zu teuer. Es wird oft barfuss gespielt. Eine Infrastruktur – und sei es nur ein Bolzplatz mit markierten Toren – ist in der Regel in den Dörfern nicht vorhanden.

In Ermangelung von adäquaten Fussballplätzen nutzt man oft Baketballplätze und spielt dann aber nur mit jeweils fünf Mann („Five-A-Side-Football). Die größeren Stadien, von denen es einige auf den Philippinen in wenig gepflegten Zustand gibt, sind zumeist auf Leichtathletiksportarten zugeschnitten. Auch hier sind Investitionen zu tätigen wie zum Beispiel die Errichtung von Flutlichtanlagen.

Notwendige Traingsmaßnahmen

Weiter ist davon auszugehen, dass den meisten jungen Filipinos das Regelwerk des Fussballs unbekannt ist. Spieler müssen trainiert werden, auch das Dribbeln oder die Ballannahme will gelernt sein. Hier ist unter anderen an den früheren deutschen Sportreporter Obermann zu erinnern, der mit Unterstützung der deutschen Regierung in den neunziger Jahren Trainingskurse auf den Philippinen leitete. De FIFA war bei der Ausbildung von Schiedsrichtern be-hilflich und gewährt dem unterfinanzierten Spitzenverband PFF (Philippine Football Federation) noch heute jährlich 250.000 US$ an Unterstützung.

Das Fehlen einer nationalen Liga

Zum schwachen Leistungsbild mit beigetragen hat in jüngerer Vergangenheit sicherlich auch das Fehlen eines breiteren Pools an qualifizierten Spielern. Es gab nur wenig Leistungskonkurrenz durch Mannschaftswettbewerbe, die knappen Spielerentgelte vermochten nicht Spitzenenergien zu mobilisieren. Längere Zeit gab es nur im Raum Manila eine halbprofessionelle Liga mit acht Teams, die insbesondere an Colleges und Universitäten angesiedelt waren. In manchen Jahren wurde auf die Austragung von Meisterschaften gänzlich verzichtet. 2008 gab es kurzfristig eine nationale Liga, aber schon kurz nach ihrer Eröffnung wurde sie wieder geschlossen. Über die Gründe können wir hier nur spekulieren. Möglicherweise spielten auch die Anreisekosten eine Rolle. Jedenfalls war die philippinische Verbandsführung froh, als sie 2011 für ihre Trainings in Deutschland einen Sponsor fand, der den Flug des Teams und der Begleitmannschaft finanzierte. Eine funktionierende Nationalliga gibt es bis heute noch nicht. Derzeit werden aber wieder neue Anläufe zur Gründung einer solchen unternommen, da die wenigen Wettbewerrbe auf nationaler Ebene mit Recht als nicht ausreichend empfunden werden.

Verbandsführung

Auch die FIFA war nicht glücklich über die Erfolgsbilanz des philippinischen Fussballverbandes unter der Führung von Jose Mari Martinez. Sie hielt aber an dem Verbandspräsidenten fest, als schon Gerüchte umliefen, dass der Vereinspräsident Dokumente fälsche und sich selbst bereichere. Martinez wurde im Januar 2011 durch Mariano Araneta ersetzt. Ihn zu beurteilen, ist sicherlich etwas verfrüht. Er und der Verbandsmanager Stephen Palami vermitteln jedoch einen wesentlich tatkräftigeren Eindruck.

Verdiente Unterstützer

Es gab jedoch nicht nur einen suspektem Verbandspräsideten. Es gab und gibt auch positive Figuren, die sich in der Zeit vor 2011 um den philippinischen Fussball verdient machten. Zu erwähnen ist hier unter anderen der schon länger auf den Philippinen ansässige Engländer MacKinnon, der schon in den neunziger Jahren als ehrenamtlicher Trainer und Entwicklungshelfer auch in entlegeneren Regionen betätigte und den Fussball bekasnnt machte. - Auch der Bayer Alfons Schunk, ein ehemaliger Süßwarenrepräsentant, engagiert sich seit den achtziger Jahren für den philippinischen Fussball. Seine Hauptaufgabe ist nunmehr das Scouting. Er sondiert über ein aufgebautes Netzwerk von Informanten, welche westeuropäische Jugendliche mit philippinischer Abstammungswurzeln als qualifizierte Spieler für die philippinische Nationalmannschaft in Betracht kommen. So erfuhr er über sein Netzwerk, dass Stephan Schröck von der SpVgg Greuther Fürth ein potenzieller Kandidat für die Nationalmannschaft sein könnte.

Kaderauffüllung durch westeuropäische Spieler mit philippinischen Wurzeln

Heute gehören einige westeuropäische Spieler zumindest zeitweise zur Kernmannschaft. Es sind dies unter anderem der bereits erwähnte Stephan Schröck, Manuel Ott vom FC Ingolstadt, Neil Etheridge, Reservetorwart beim FC Fulham und die Brüder James und Phil Younghusband, die früher beim FC Chelsea ausgebildet wurden und die heute als „Stars“ auf den Philippinen unter anderem Werbung für Unterwäsche machen.

Der neue deutsche Trainer Michael Weiß

Die fussballerischen Erfolge von Indonesien und Singapur zeigten den philippinischen Verbandverantwortlichen, dass sich bei guter Planung auch Erfolge einstellen. Vor allem musste ein qualifizierter Trainer gefunden werden. Man schaltete ein Suchinserat und es meldeten sich fast tausend Interessenten. Die Auswahl fiel letzlich auf 46-jährigen Michael Weiß.

Nach dem Erwerb der Fussballlehrerlizenz und Hospitationen bei Manchester United, dem FC Arsenal und Real Madrid war dieser vor allem im Ausland tätig geworden. Mit seinen nachfolgenden Auslandstätigkeiten tritt er nun in die Fusstapfen eines Werner Lorant oder eines Rudi Gutendorf. Er war von 2001-2004 Co-Trainer bei einer japanischen Mannschaft. Hier lernte er auch seine japanische Frau kennen. Die nächsten beiden Jahre fungierte er als Co-Trainer der chinesischen Juniorennationalmannschaft. Von 2007 bis 2010 war er dann technischer Direktor des Fussballverbandes in Ruanda.

Weiß beschloss, das philippinische Angebot anzunehmen. „Bevor ich irgendwo in der 4. Liga mein Geld verdiene, gehe ich lieber auf die Philippinen“, erklärte er und war sich der Schwere der übernommenen Aufgabe sicherlich bewußt (2). In Interviews spricht er von dem enormen fussballerischen Potenzial, das die Filipinos hätten und er betont immer wieder, dass außerordentlich viel Basisarbeit noch zu leisten sei und man geduldig und realistisch sein müsse. Seit Januar 2011 betreut er nun das philippinische Nationalteam. Die Zielmarke seiner Arbeit ist, unter die ersten Hundert der FIFA Welt-Rangliste zu kommen. Im Juni 2011 nahm die Philippinen noch Rangplatz 162 ein.

Hype um das erste Spiel gegen die Mongolei

Schon am 09. 02. 2011 ist im Rahmen des AFC Challenge das Spiel Philippinen gegen die Mongolei angesetzt. Das Panaad Stadium in Bacolod City, das eigentlich nur 15.000 Zuschauer zulässt, ist mit 25.000 Zuschauern voll bepackt. Hunderte, wenn nicht Tausende Interressierte müssen, vor den Einlasstoren bleiben. Die Polizei fürchtet schon eine Eskalation. 200 Medienvetreter wollen dem Spiel folgen. Dem TV-Giganten ABS-CBN gelingt es, andere TV-Konkurrenten auszustechen. Er überträgt das Spiel und wird es am nächsten Tag in Schleifen immer wieder wiederholen. Sogar die britische BBC sendet einen TV- und Radiokorrespondenten. Den Berichterstattern fallen immer wieder die jubelnden, wenn nicht kreischenden jungen weiblichen Zuschauer auf. Das Spiel endet 2:0 für die Philippinen. Feuerwerke werden im Stadion gezündet. Das Land hat – nach dem Urteil vieler - ein sporthistorisches Ereignis erlebt. Der Spox-Korrespodent hyperventiliert verbal mit und fasst seine Eindrücke in folgende Worte:

„Philippinen – Eine Nation dreht durch … Massenhysterie, Medienwahnsinn und mittendrin der deutsche Michael Weiß … Die Zeitenwende scheint eingeleitet und neue nationale Helden stehen bereit.“

Das Rückspiel findet in der sehr kalten Mongolei statt. Fast 50 Grad Temperaturunterschied waren zu bewältigen. Das Spiel geht 2:1 für die Mongolei aus. Der philippinische Präsdent Arroyo zeigt sich dennoch gerührt und verleiht der Mannschaft den Presidental Achievement Award in einem renommierten Hotel von Manila.

Nachfolgende Spiele

Auch die unmittelbar nachfolgenden Spiele in der Qualifikationsrunde zur Asienmeisterschaft dämpfen die Fussballbegeisterung – trotz teilweise beschei- denem Ausgang – kaum. Die Spiele gegen Myamar und Palästina gehen unentschieden aus und Bangladesh wird mit 3: 0 besiegt.

Emotionen verbinden sich auch mit den in der Jahresmitte angesetzten Spielen zur WM-Qualifikation. Das Spiel gegen Sri Lanka in Colombo geht 1:1 unentschieden aus. Beim Rückspiel in Manila triumphieren die Filipinos jedoch mt 4:0. Ein gewichtiger Gegner wartete noch auf das philippinische Team. Es war das als spielstark eingestufte Kuwait. In Kuwait verlor man 3:0. Im Rückspiel schoß zwar Stephan Schröck das erste Tor. Das Endresultat lautete aber 1:2 für Kuwait. Damit waren die Filipinos aus der WM-Qualifikation ausgeschieden.

Wir sollten noch erwähnen, das Trainingsspiele in der Bundesrepublik den Spielen zur WM-Qualifikation vorausgingen. Der DFB protegiert ja ein wenig das philippinische Team. Zwar konnte man Siege gegen eine Dürener Auswahl und gegen die Bonner U-19 mit jeweils 4:1 verbuchen, aber die Spiele gegen Ingolstadt 04 und Darmstadt 98 zeigten mit 0:4 und 0:5 klare deutsche Siege.

Was hat sich noch verbessert?

Es liegen also einige Spielausgänge vor, die zu weiterem Optmismus Anlass geben, auch wenn insbesondere der Trainer Weiß immer wieder vor zu hohen Erwartungen warnt. Das philippinische Team genießt mittlerweile eine hohe Medienbeachtung und Publikumsverehrung. Trainer Weiß muss vor wichtigen Spielen sein Team immer wieder unter Quarantäne stellen.

Neue Fussballclubs werden gegründet. Eine Website listet bereits über 326 philippinische Fussballclubs auf (3). Einige Clubs sind mit dem Militär verbunden (Air Force Rider, Army Fritz), andere werden offenbar von Firmen untertützt (Globe Smartmatic, Macziol IBM, Loyola Meralco Sparks).

Wer Äußerungen des Präsidenten von Uli Hoeneß vom FC-Bayern kennt, weiß um die Bedeutung des Geldes im professionellen Fussballbereich. Hier hat sich die Situation beim philippinischen Verband auch leicht gebessert. Der Verband hat neue Sponsoren gefunden. Dazu gehört – neben dem Energieunternehmen Meralco, dem Wasserversorgungsunternehmen Maynilad, dem Medien- unternehmen Cignal TV-TV5 und der Hyudai Corporation – auch die Smart Communications. Letztere hat dem Verband für den Zeitraum von zehn Jahren fast zwei Millionen US$ zur Verfügung gestellt. Das Geld soll insbesondere für den Aufbau einer nationalen Liga verwendet werden. Auch Mike Velarde von der religiösen Gemeinschaft El Shaddai (4) zeigte sich generös und stellte in Paranque ein 4,5 ha großes Areal für den Bau eines neuen Fussballstadions zur Verfügung.

Frauenfussball

Es gibt auch ein weibliches Fussballnationalteam auf den Philippinen. Sie haben sich die Bezeichnung „Malditas“ zugelegt. „Maldita“ bedeutet ins Deutsche übertragen „frech“, auch „unanständig“. Das Team hat gleichfalls zwei aus der BRD „importierte“ Spielerinnen mit philippinischen Abstammungswurzeln. Es sind dies Cristina Kreuter und Lorrene Bayani. Das Frauenteam will jetzt in die Erfolgsspur der „Strassenhunde“, der „Azkals“ treten. Beweisen können sie es beim AFF Women`s Championship Turnier in Laos im Oktober 2011.
Hoffen wir, dass die aufgeflammte Begeisterung für den Fussball auch längerfristig anhält. Richtig zufrieden darf man aber erst sein, wenn man mehr philippinische Kinder und Jugendliche auf den Strassen Fussball spielen sieht.

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(1)spox.com, Aus dem Abgrund des Weltfußballs, 19.10.201, in: http://www.spox.com/de/sport/fussball/international/1010/Artikel/philippinen-manuel-ott-alfons-schunk-stephan-schroeck-paulino-alcantara-david-alaba-dan-palami.html
(2)Alexander Haubrichs, Auf den Spuren von Rudi Gutendorf, in: http://www.express.de/sport/fussball/auf-den-spuren-von-rudi-gutendorf/-/3186/8576354/-/index.html
(3) http://club-soccer.com/Continents/asia/phillipines.htm
(4) Näheres zu El shaddai unter: Wolfgang Bethge, Das versprochene Glück – Mike Velarde und seine chaismatische El Shaddai Bewfung, in: http://bethge.freepage.de/el _shaddai.htm