Freitag, 21. Januar 2011

Im Nescafé-Land



Einem philippinischen Witz zufolge saßen einige Vertreter kaffeeproduzierender Länder in einer Konferenz zusammen. Sie waren emsig bemüht, die Verdienste ihrer Länder um den Kaffee herauszustellen. Der kolumbianische Delegierte sagte: “Wir haben die besten Kaffeebohnen.“ Der japanische Vertreter würdigte die Verdienste seines Landes bei der technischen Verfeinerung des Kaffeearomas und der amerikanische Gesandte machte deutlich, dass Amerika die meisten Kaffeemarken und die modernsten Produktionsmethoden hätten. Da stand der philippinische Vertreter auf und erklärte stolz: „Und wir haben die Zwei-Stunden-Kaffeepause erfunden!“

Die Ausführungen des Filipinos werfen vielleicht ein Schlaglicht auf philippinische Arbeitsauffassungen; sie weisen aber auch daraufhin, welche Wertschätzung der Kaffee auf den Philippinen erfährt. Übertriebener und wohl auch leicht blasphemisch formuliert ein philippinischer Internetschreiber – hier in deutscher Übersetzung - unter anderem:

Koffein ist mein Hirte. Ich werde nicht dösen.
Es weckt mich auf grüner Weide.
Es erhebt mich über die noch schlafenden Massen.
Koffein du bist mit mir: Deine Sahne und dein Zucker werden mich trösten …


Die anregende Wirkung von Kaffee ist hinreichend bekannt. Eine heiße Tasse Kaffee zum Frühstück wärmt den Magen, klärt den Kopf und bringt einen von der Nacht in den Tag. Wie viel weitere Tassen sodann konsumiert werden, ist wahrscheinlich individuell sehr unterschiedlich. Denkbar zum Beispiel für einen städtischen Angestellten wäre eine weitere Tasse zur Überbrückung der Zeit zwischen Breakfast und Lunchtime. Bald ist die nächste Tasse fällig - kein Mittagessen ohne eine Tasse Kaffee. Die vierte Tasse kommt dann vielleicht zur Nachmittagspause. Das Abendessen schmeckt mit einer weiteren Tasse noch besser. Schließlich können auch die abendlichen Gespräche mit Kaffeetrinken verknüpft sein. Am nächsten Morgen beginnt der Kaffeezyklus wieder von vorne.

Wir haben hier den Tagesablauf eines Vieltrinkers skizziert. Ob bei den Filipinos tatsächlich eine Kaffeemanie - wie gerne behauptet wird - vorliegt, ist indessen fraglich. Der Durchschnittskonsum bei philippischen Erwachsenen liegt nach einer Statistik nämlich nur bei knapp über zwei Tassen Kaffee pro Tag (2). Schenkt man dieser Statistik Vertrauen, dann wird offensichtlich ein nur sehr dünner Kaffee getrunken, denn nach einer Wikipedia-Statistik betrug der Pro-Kopf-Konsum auf den Philippinen 2008 lediglich 0,7 kg pro Kopf. (Vermutlich ging man bei dieser Statistik von der Gesamtbevölkerung einschließlich Kindern und dem vorherrschenden Instantkaffee aus). Es gibt übrigens einige Länder in Südostasien, für die ein noch niedriger Kaffeekonsum ausgewiesen wird (z. B. Thailand, Indonesien, Indien) (2).

Bleiben wir kurz beim dünnen Kaffee. Über Kaffee verfügen zumeist auch ärmere Haushalte, Kaffee ist aber auch für den philippinischen Normalhaushalt relativ teuer. Es wundert deshalb nicht, dass er häufig mit viel Wasser gestreckt wird. Manchmal begegnet einem nur noch eine Kaffeewasser-Plärre, die nur leicht braunes heißes Wasser darstellt. Der frühere amerikanische Präsident Lincoln hat in diesem Zusammenhang einmal geäußert: “If this is coffee, please bring me some tea; but if this is tea, please bring me some coffee.“

Hauptgetränk auf den Philippinen bleibt das natürliche Wasser, in der Regel Leitungswasser. Das ungekochte Wasser ist jedoch – insbesondere in städtischen Slumgebieten - häufig nicht keimfrei. Gottseidank, so möchte man sagen, folgt dann in der Rangfolge in der Reihe der Getränke der mit heißem Wasser zubereitete Kaffee.

Werfen wir aber zuvor einen kurzen Blick auf die nichtalkoholische Getränkekonkurrenz, auf mögliche Substitute. Tee wird auf den Philippinen eher selten getrunken. Der Absatz von Tee verzeichnet jedoch - bei niedrigem Ausgangsniveau – in jüngerer Zeit stärkere Zuwächse. Zurzeit rührt im die Nestlé Company im Fernsehen für ihren Nestea heftig die Werbetrommel.

Als weiteres nichtalkoholisches Getränk könnte noch „bottled water“ in Betracht kommen. Hier lag der jährliche Konsum pro Kopf der Bevölkerung 2004 immerhin bei 17,1Liter (3). Zum „bottled water“ gehören unter anderem Brunnen- und Mineralwässer, mit und ohne Kohlensäure („carbonated“) oder mit Koffein oder Zitronen– oder Erdbeeraroma. Der Absatz dieser prestigeträchtigeren, eher in Mittelschichthaushalten anzutreffenden Getränke weist wie der Tee eine steigende Tendenz auf.

Im Internet finden sich nur wenige Zahlen über den Konsum von Colagetränken auf den Philippinen. Sofern vorhanden sind sie auch nicht ganz eindeutig und widerspruchsfrei. Genauere Marktforschungsergebnisse sind kostenaufwendig. Eine frei zugängliche Quelle setzt jedoch den Coca-Cola Softdrink-Absatz auf den Philippinen um die Jahrtausendwende mit 121 Litern pro Jahr und Kopf an (4). Damit kommen die Philippinen längst nicht auf die Konsummenge der US-Bürger (212 Liter), übertreffen aber deutlich den Weltdurchschnitt liegt (83 Liter) (5).

Zurück zum Kaffee, der auf den Philippinen auch gerne kalt getrunken wird. Man kann ihn in Gestalt grüner Kaffeebohnen, geröstet und gemahlen und als löslichen Pulverkaffee kaufen. Filipinos bevorzugen ganz eindeutig den löslichen Kaffee und hier ist der Instantkaffee von Nestlé in aller Regel die Marke ihrer Wahl. 90 % des auf den Philippinen verkauften Kaffees ist Instantkaffee (6). Solch hohe Instantanteile findet man ansonsten nur noch in Südkorea (95%) und in Großbritannien (90%). In Deutschland beträgt der Anteil von löslichem Kaffee am gesamten Kaffeemarkt nur 11 Prozent (7). Der Nestle-Pulverkaffee kam übrigens Ende des 2. Weltkrieges mit den amerikanischen Soldaten auf den Inselarchipel.

Für Kaffgourmands ist löslicher Kaffee - auch in seinen verfeinerten Versionen - in der Regel ein Gräuel und sie verweisen darauf, dass hochwertiger gemahlener und gebrühter Kaffe das bessere Aroma und den besseren Geschmack habe. Filipinos scheren sich in ihrer Mehrheit wenig um dieses Urteil. Bei ihnen rangiert der Vorteil der schnellen und einfachen Kaffeezubereitung offenbar höher. Vielleicht wirken auch schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit mit nicht vakuumverpacktem Röstkaffee nach. Dieser konnte nämlich schnell muffig schmecken. Instantkaffee wird auf den Philippinen also stark präferiert. Einige Kenner meinen jedoch, der gemahlene Röstkaffee stünde insbesondere mit dem starken Aufkommen städtischer Coffee-Shops (Starbuck) vor einer Renaissance.

Nestlé ist mit 85 % Marktanteil am gesamten Kaffeemarkt Marktmonopolist auf den Philippinen (8). Andere Unternehmen wie Commonwealth Food, General Milling Company, Universal Robina Company oder der Marktneuling Starbuck knappern nur am äußeren Rand des gesamten Kaffeekuchens. Die Liste der von Nestlé vertriebenen Produkt- und Verpackungsvarianten ist länger. Wir wollen hier nur auf den „Nescafe Classic“, den „Nescafe Gold“ und das Kaffeemixgetränk „Nescafe 3 in 1“(mit Creamer und Zucker) verweisen. Sari-Sari-Shops bieten haben häufig auch die 15-Gramm-Tütchen („Sachets“) im Angebot. Sie erscheinen zunächst preisgünstiger und sprechen auch die klammen Käufer an. Zum weiteren Umsatz tragen auch die Milchweißer und die auf Franchisebasis vertriebenen Nescafe Point Coffee-Shops bei. - Nestlé gehört mit zu den werbeintensiven Unternehmen, die einem den TV-Genuss auf den Philippinen durch stete Wiederholung vergällen können. Es dominiert „musical entertainment“ (Pop) als werblicher Ansprachestil. Die Aussagen sind recht trivial und sollen Optimismus ventilieren: „Have a good Day!“ oder „Open up“.

Nestlé bemüht sich seit 1994 mit einer extra eingerichtete „Nestle Experimental and Demonstration Farm (NEDF)“ in Tagum City intensiver um die Ausweitung und Qualitätsverbesserung des philippinischen Kaffees. In den letzten 13 Jahren sollen dort über 12.000 Kaffeeanbauer aus- und weitergebildet worden sein. Und dieser Hinweis führt uns kurz zur Geschichte des philippinischen Kaffeeanbaus.

Man nimmt an, dass der Arabica-Kaffeestrauch um 1710 von spanischen Mönchen auf die Philippinen eingeführt wurde. Die Voraussetzungen waren günstig, denn die Philippinen liegen klimatisch-geografisch im sogenannten weltweiten „Kaffee-Gürtel“. Der Kaffeeanbau wurde dann insbesondere in der in der Provinz Batangas betrieben. Um 1880 standen die Philippinen auf der weltweiten Kaffeeexportliste sogar an der vierten Stelle. Aber dann schlägt der Kaffeepestvirus auch auf den Philippinen zu. Er hält sich zunächst nur noch in lokalen Nischen auf Mindanao. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts steht der Kaffeeanbau wieder in relativer Blüte. 1986 können noch 45.000 Tonnen Kaffee exportiert werden. Doch 1989 steigen die USA aus dem internationalen Kaffeekartell, das zuvor den philippinischen Export begünstigt hatte, aus. Die Folge war ein rapider Preisverfall. Viele Bauern steigen aus dem Kaffeeanbau aus, die früheren Kaffeeanbauflächen werden zugunsten anderer Produkte umgewandelt.

Heute soll es nur noch 30.000 Kaffeefarmer, die zudem oft noch den Kaffeeanbau im Nebenerwerb betreiben, geben. Betrug 1989 noch die Anbaufläche noch 130.000 Hektar, so wurden 2009 nur noch 70.000 Hektar mit Kaffeesträuchern bepflanzt. 2001 erntete man noch 112.000 Tonnen Kaffeebohnen, so waren es im Jahre 2008 nur noch 97.400 Tonnen – und dies trotz aller Revitalisierungsanstrengen des National Coffee Board (NCB) die Produktionsmenge zu steigern. Die Philippinen sind von einem Kaffeeexportland zu einem Kaffeeimportland geworden. 30.000 Tonnen Kaffee müssen derzeit aus dem Ausland importiert werden (9). Importiert wird der Kaffee zumeist aus Vietnam, das seinen Kaffeeanbau mit effizienten Produktionstechniken im letzten Jahrzehnt stark ausgeweitet hat und heute - hinter dem Hauptproduktionsland Brasilien - mit 1,1 Millionen Tonnen Kaffeebohnen an zweiter Stelle der Produktionsländer steht. Der Hektarertrag in Vietnam beträgt annähernd das Zehnfache des philippinischen Ertrages(10). Weltwirtschaftlich gesehen spielt die philippinische Kaffeeproduktion mit knapp über einem Prozent Weltmarktanteil so gut wie keine Rolle. Die Produktionsmethoden als antiquiert. Die philippinischen Kaffeeanbauer fürchten auch die kurzfristigen Preisschwankungen und den langfristigen Preisdruck auf dem Weltmarkt.

Etwa 67 Prozent des Kaffees wird heute in Mindanao angebaut. Es folgt dann mit weiterem Abstand das südliche Luzon.

Vier Kaffeesorten sind auf den Philippinen anzutreffen. Fast neunzig Prozent der Produktion entfallen jedoch auf die Sorte Robusta. Sie wird wegen ihres kräftigen Körpers und der niedrigeren Kosten - auch bei Nestle - vor allem als Füllkaffee für die Produktion von Instantkaffee herangezogen. Der Geschmack ist streng und leicht bitter, der Koffeingehalt höher. Die erlesenere Sorte Arabica wächst im philippinischen Hochland, zum Beispiel in den nördlicheren Kordilleren. Gleichfalls weniger angebaut, aber gerne beigemischt wird die Sorte Exelsa. Ihr aromatischer Geschmack wird als eher süß und fruchtig beschrieben. Große Zukunftshoffnungen setzt der Philippine Coffee Board (PCB) in die vierte Tiefland-Sorte Libreca. Sie hat besonders große Kaffeekirschen, einen kräftigen und würzigen Geschmack und liefert den einheimischen Kapeng Barako Kaffee, den man jetzt wieder stärker im Inland wie Ausland vermarkten will. Man verspricht sich m internationalen Kaffeegeschäft Wettbewerbsvorteile, weil die Sorte Libreca ansonsten nur noch in zwei anderen asiatischen Ländern wächst.

Sie haben zu viel Geld, wollen dies aber nicht zum Beispiel an den Autoren verschenken, sondern sich eher eine exquisite Kaffeefreude bereiten? Dann probieren sie doch einmal „civit coffee“.

Er gilt als teuerster Kaffee der Welt und hat etwas mit der Zibetkatze („alamid“) zu tun. Zibetkatzen fressen gerne die süßlichen roten Kaffeekirschen. In der Vergangenheit wurden sie gejagt, weil man ihr Fleisch schätzte. Heute schätzt man eher ihre Hinterlassenschaft nach dem Kirschenverzehr. Die Kirschen werden im Magen der Zibetkatzen fermentiert. Nach ihrem Abgang und dem mühsamen Einsammeln der Kaffeebohne kann man dann einen Kaffee gewinnen, der - was Geschmack und Aroma anbelangt - angeblich seinesgleichen sucht. Ein Fundgebiet soll südlich von Manila in den Malarayat Bergen liegen. Der genauere Fundort wird aber streng geheim gehalten, weil man mit den Hinterlassenschaften der Zibetkatzen viel Geld verdienen kann. Für das Kilogramm Kirschkerne wurden schon über 115 $ geboten. Der hohe Preis erklärt sich durch die jährliche Angebotsmenge von nur etwa 500 kg (11). Wir wünschen einen köstlichen Kaffeegenuss.

© Wolfgang Bethge, in 2011
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(1) Vgl.: Coffee: Now the Good News, in: http:// www. agribusinessweek.com/coffee- now- the -good-news/

(2) List of countries by coffee consumption per capita in: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_coffee_consumption_per_capita
Die Philippinen haben damit im weltweiten Maßstab nur Rangplatz 93 inne. Die skandinavischen Länder sind – aus welchen Gründen auch immer - bei weitem kaffeesüchtiger. Sie konsumieren zwischen 10 – 12 kg pro Jahr und nehmen global die vorderen Spitzenplätze ein. Sicherlich ist die Höhe des Kaffeekonsums auch von Wohlstandsniveau eines Landes abhängig. Klammert man die südostasiatischen Industriestaaten aus, dann haben die Philippinen im innerasiatischen Vergleich jedoch einen relativ gehobenen Pro-Kopf-Verbrauch. So konsumiert man zum Beispiel in Laos lediglich 1,4, in Thailand und Indonesien nur 0,5 und in Sri Lanka und Indien nur 0,1 kg Kaffeee im Jahr pro Kopf der Bevölkerung. - Deutschland liegt mit 6,4 kg übrigens auf dem 12. Rangplatz.

(3) Public urged to quit bottled water habit, in: http://www.sunstar.com.ph/manila/public-urged-quit-bottled-water-habit

(4) Painting South Africa Red, in: http://www.brandchannel.com/features_effect.asp?fa_id=40

(5) Vgl. Welt-online in: http://www.welt.de/gesundheit/article3783415/Exzessiver-Cola-Konsum-fuehrt-zu-Muskelschwaeche.html

(6) Philippine Coffee Facts and Trivia, in: http://www.nicamandigma.com/philippine-coffee-facts-and-trivia/

(7) Das verborgene Kaffee-Imperium , Hamburger Abendblatt, 18.01.2011

(8) Alejandro C-. Mojica, Philippine Coffee 2020, in: http://www.bar.gov.ph/Agritech/Crops/coffee/coffee_investment_opportunities.pdf

(9) Philippines looking to revive coffee industry, in: http://www.abs-cbnnews.com/business/02/14/10/philippines-looking-revive-coffee-industry

(10) http://www.agriculture-ph.com/2009/07/coffee-talk.html

(11) BBC News , in: http://arengga.com/blogs/2009/03/22/the-philippines-taste-for-civet-coffee/#more-39